Newsletter TRANSFERkompakt Juni 2021

Thema: Schulabsentismus als kommunale Herausforderung.

Die Schule ist ein Lern- und Lebensort für Kinder und Jugendliche. Neben der Wissensvermittlung ist auch der Erwerb von sozialen Kompetenzen ein wichtiger Bestandteil der schulischen Aufgaben. Kinder und Jugendliche finden in der Schule einen Rückzugsort, einen Ort, um sich mit Freunden zu treffen und um sich weiterzuentwickeln – ihre Persönlichkeit zu bilden (vgl. Munzinger 2021). Aufgrund der durch die Corona-Pandemie bedingten Schulschließungen und den nur noch teilweise stattfindenden Unterricht hat sich die Lernsituation der Schüler/-innen im vergangenen Jahr stark verändert. Themen wie Schulabsentismus oder steigende Zahlen von Schulabbrechern rücken in diesem Zusammenhang immer weiter in den Fokus. Welche weitreichenden Auswirkungen dies im Einzelnen hat, wird sich mit der Schulöffnung und der Rückkehr des Alltages für die Kinder und Jugendlichen zeigen.

Da die Auswirkungen der Schulschließungen infolge der Pandemie für Schüler/-innen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abzuschätzen sind, wird das Gewährleisten von gelingenden Bildungsbiografien eine zentrale Herausforderung für die Kommunen vor Ort und ihr kommunales Bildungsmanagement. Ein bereits lange bekanntes, aber sich derzeit verschärfendes Phänomen, welches sich laut des Vorsitzenden der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter quer durch alle Schichten zieht (vgl. Schneider 2021), ist der Schulabsentismus. Als Schulabsentismus bezeichnet man allgemein das Fernbleiben vom Schulunterricht. Eine negative Folge des Absentismus kann der Schulabbruch sein, der eine ungünstige Prognose für den Übergang ins Erwerbsleben bedeutet. Die Landesjugendämter beziffern den Anstieg der Schulabbrecher/-innen von 104.000 im Jahr 2019 zu 210.000 im Jahr 2020 und ebenso vielen im Jahr 2021 (vgl. Schneider 2021).

Formen des Schulabsentismus

Schulabsentismus kann verschiedenste Gründe haben und in unterschiedlichen Ausprägungen auftreten. Es wird differenziert in das bewusste Fernbleiben vom Unterricht, oft auch als Schulschwänzen bezeichnet, in das angstindizierte Fernbleiben, zum Beispiel durch soziale Ängste, und in das Zurückhalten des Schülers oder der Schülerin vom Unterricht, hier insbesondere durch die Eltern. Bei Ängsten in Bezug auf den Schulbesuch können verschiedene Faktoren bzgl. der Situation in der Schule eine Rolle spielen. Die Sorge um die persönliche Leistung (Noten, Schullaufbahn, berufliche Perspektive), aber auch die Situation in der Klassengemeinschaft (zum Beispiel Ausgrenzung, Mobbing, allgemein schlechte Stimmung) und das Verhältnis zu den Lehrkräften sind relevant bei der Entwicklung von schulvermeidendem Verhalten. Innerhalb der Familie können ebenfalls unterschiedliche Faktoren das Auftreten von absentem Schulverhalten begünstigen. Von großer Bedeutung sind hier der sozioökonomische Status und die Erwerbstätigkeit der Eltern, die Wohnsituation und das Wohnumfeld sowie die Verlässlichkeit der familiären Bindungen. Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund sind neben den oben beschriebenen Faktoren oft zusätzlich desintegrierenden Einflüssen, wie Sprachproblemen oder soziokulturellen Unterschieden, unterworfen (vgl. Die Senatorin für Bildung und Wissenschaft: S.7 ff).


Die verschiedenen Ursachen und Gründe für die Entwicklung von Schulabsentismus stellen die relevanten Akteure/Akteurinnen des Bildungswesens gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen vor große Herausforderungen und erfordern ein gemeinsames Handeln.

Das Niedersächsische Kultusministerium unterstützt die Schulen bei den unterschiedlichen Anforderungen, denen das System Schule nach der Pandemie begegnen muss, mit einer 10 Punkte Agenda. Eine besondere Sorge gilt hier den Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die bereits vor der Krise von sozialen Benachteiligungen betroffen oder bedroht waren. Es spricht vieles dafür, „dass sich die Schere zwischen Kindern aus sozial privilegierten und benachteiligten Familien in Folge der Pandemie noch weiter geöffnet hat.“ (Fickermann & Edelstein 2020: S. 22)

Ansätze für das kommunale Bildungsmanagement

Vernetzung ist ein ganz wesentlicher Ansatz für gelingende Lösungen, wodurch gemeinsame Ziele festgelegt und aufeinander abgestimmte Maßnahmen entwickelt werden, wie sie im Rahmen des kommunalen Bildungsmanagements entstehen. Einige niedersächsische Kommunen haben zu dem Thema bereits Netzwerke in Form von AGs oder runden Tischen aufgebaut. Die Bildungsregion Südniedersachsen begegnet der Herausforderung beispielsweise mit einem breit aufgestellten „Netzwerk Schulabsentismus“. Das Netzwerk besteht aus 65 Mitgliedern und teilt sich in verschiedene Arbeitsgruppen. Eine jährliche Vollversammlung dient der gemeinsamen Diskussion und der Vorstellung von Arbeitsständen innerhalb der AGs.

Weiterhin haben einige Kommunen Broschüren bzw. Leitfäden für Schulen zum Thema Schulabsentismus erarbeitet. Diese fungieren als Überblick und beschreiben die einzuleitenden Maßnahmen, wenn es zu einem problematischen, schulvermeidenden Verhalten kommt. Beispiele finden sich hierzu unter anderem in den Landkreisen Heidekreis, Wesermarsch, Diepholz und Hameln-Pyrmont.

Ansätze für das kommunale Bildungsmonitoring

Daten zur Beschreibung der Lage des Schulabsentismus sind auf Landes- oder Bundesebene nicht allgemein verfügbar. Im Rahmen des Bildungsmonitorings können jedoch die kommuneneigenen Daten explizit erfasst und analysiert werden, um Handlungsansätze und Maßnahmen abzuleiten. Auch die Folgen des Schulabsentismus, die ggf. zu Schulabbruch führen, können datenbasiert abgebildet werden.

Die Schulabgänger/-innen ohne Abschluss bilden eine besonders problematische Gruppe, deren Aussichten auf einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz äußerst gering sind. Für ihre Integration müssen besondere Anstrengungen unternommen werden (vgl. DLR 2021). Der Anwendungsleitfaden für den Aufbau eines kommunalen Bildungsmonitorings des DLR empfiehlt unter anderem die Erhebung der Schulabgangsquote an allgemeinbildenden Schulen (D15.1) zur Erfolgskontrolle etablierter Förderinstrumente und zur Ermittlung eines eventuellen Förderungsbedarfes, aber auch des Anteils der Schulabgänger/-innen ohne Abschluss der Sekundarstufe I (D15.2). Anhand dieser Indikatoren können Handlungsbedarfe erkannt, Lösungsansätze erarbeitet und geeignete Maßnahmen ergriffen werden.

Darüber hinaus stehen auch digitale Tools zur Verfügung, die beispielsweise eine Verknüpfung von Daten mit einem integrierten Vorgabenkatalog für pädagogische Maßnahmen ermöglichen. Eine gute Unterstützung bietet hier zum Beispiel das „Fachverfahren Schulpflichtverletzung“, das eine Einbindung unterschiedlicher Stellen (Schule, Meldestellen, Jugendamt, Jugendgerichtshilfe) ermöglicht und so wiederum die Koordination und Abstimmung vereinfacht.

Mit den aufgezeigten Möglichkeiten und Praxisbeispielen wird der Herausforderung Schulabsentismus bereits in einigen niedersächsischen Kommunen begegnet. Das Ermöglichen einer gelingenden Bildungsbiografie schließt eine qualifizierte, abgeschlossene Schulbildung ein. Sie ist der Schlüssel für die individuellen Möglichkeiten einer gesellschaftlichen Teilhabe, aber auch der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesamtgesellschaft.

Autorin: Sina Schriewer, Transfermanagement, Transferagentur Niedersachsen