Stadt Münster
Neukonzeption Beschulung neu zugewanderter Kinder und Jugendlicher.

Infos zur Kommune: Fläche 303,28 km², Einwohner: 302.178,
Bevölkerungsdichte: 996 Einwohner je km²
Handlungsfeld: Migration/Integration, Bildungsmanagement
Art des Angebotes:
 Strukturlösung, Instrument/Angebot
Kontakt: RiegelAudstadt-muensterde
Weitere Informationen: www.stadt-muenster.de 

Praxis-Beispiel als PDF-Datei

Dass die zugewanderten Schülerinnen und Schüler eine individuelle Beratung erhalten, dass sie eine Schule besuchen, die ihrem Lernstand entspricht, dass sie zusätzliche Sprachangebote bekommen und eine sozialpädagogische Begleitung – das alles sind wichtige Bausteine unserer Neukonzeption." 

Aud Riegel, Abteilungsleiterin Bildungsmanagement und -beratung, Schulsozialpädagogik, Stadt Münster

Die Prinzipien der Neukonzeption der Beschulung von neu zugewanderten Kindern und Jugendlichen in der Stadt Münster, die 2014 politisch auf den Weg gebracht wurden, sind aus bildungspolitischer und pädagogischer Perspektive eine potenzialorientierte, bedarfsgerechte und zeitnahe Beschulung. In struktureller und organisatorischer Hinsicht basiert die Neukonzeption auf einem Bildungsmanagement, in dem Kooperationen und Vernetzung tragende Säulen sind. 

Damit sie in der Praxis funktioniert, erfordert sie vor allem ein aktives Netzwerkmanagement und Flexibilität in der Anpassung an sich stetig verändernde Bedarfe. Aufgrund stark steigender Zuwanderungszahlen wurden im Dezember 2015 Ausbau und Weiterentwicklung des Konzeptes beschlossen.

Kern des Konzeptes ist die Anlauf-, Beratungs- und Clearingstelle des Amtes für Schule und Weiterbildung zur systematischen Bildungs- und Schullaufbahnberatung für den Seiteneinstieg. Eine Außenstelle dieses kommunalen Orientierungs- und Service-Angebotes befindet sich direkt in der städtischen Erstaufnahmestelle für Neuzugewanderte und kooperiert mit dem Sozialdienst für Flüchtlinge sowie der quartiersorientierten Sozialarbeit. Auch beginnt die Sprachförderung schon in der Erstaufnahmeeinrichtung in Form der „MitSprache“-Kurse des Amtes für Schule und Weiterbildung. Solange die Kinder und Jugendlichen noch nicht in der Schule sind und noch in der Erstaufnahmeeinrichtung leben, können sie dort in der Regel einwöchige Intensivkurse besuchen, die getrennt nach Altersgruppen stattfinden. In den Schulferien werden „MitSprache“-Deutsch-Intensivkurse für bereits eingeschulte Kinder und Jugendliche auf verschiedenen Sprachniveaustufen in den Räumen der städtischen VHS angeboten. Das Angebot wird derzeit zu einem mobilen Angebot mit weiteren Lernorten ausgebaut. An allen weiterführenden Schulformen gibt es Referenzschulen, die sich mit unterschiedlichen Konzepten für die Aufnahme von neu zugewanderten Schüler/-innen öffnen. Je nach Bedarf werden internationale Vorbereitungsklassen eingerichtet oder der zusätzliche Deutschunterricht findet ergänzend zum Unterricht in der Regelklasse statt. Fallscouts sorgen für ein ressort- und ämterübergreifendes, verlässliches und flexibles Angebots- und Unterstützungsnetzwerk für die Seiteneinsteiger/-innen, ihre Familien und die Schulen. Die Neukonzeption sieht außerdem Qualifizierungsangebote vor, die sich an die Kollegien, aber auch an das nicht lehrende Personal der Schulen richten.

Die aktuelle Struktur ist das Ergebnis eines Prozesses, der von Politik und Verwaltung gemeinsam vorangetrieben wurde. Im April 2014 beauftragte der Rat die Verwaltung mit der Entwicklung einer Neukonzeption. An diesem Prozess waren und sind viele Akteurinnen und Akteure beteiligt, die von Beginn an auf Vernetzung und Kooperation gesetzt haben. Ein Arbeitskreis wurde eingerichtet und besetzt mit Vertreter/-innen der Verwaltung (unter anderem Amt für Schule und Weiterbildung, Amt für Kinder, Jugendliche und Familien, Kommunales Integrationszentrum, Sozialamt/Sozialdienst für Flüchtlinge), der Schulformen, der unteren und oberen Schulaufsicht, der Ratsfraktionen sowie des Integrationsrates. Beratend konnte dieser Wissenschaftler/-innen sowie Vertreter/-innen freier Träger und anderer Kommunen zu bestimmten Sachgebieten hinzuziehen. In drei Workshops wurden hier 2014 die Leitlinien der Neukonzeption entwickelt. Im Oktober 2014 wurde die Neukonzeption vom Rat beschlossen. Aufgrund der stark steigenden Zuwanderungszahlen stimmte der Rat im Dezember 2015 dem Ausbau und der Weiterentwicklung der kommunalen Konzeption zu.

Aufbauend auf den zunächst drei Stellen in der städtischen Bildungsberatung wurden mit der Umsetzung der Neukonzeption weitere Stellen eingerichtet, unter anderem für Fallscouts, für die Konzeption und Organisation der Sprachkurse sowie eine Integrationsstelle, deren Aufgabe es ist, die vielen Einrichtungen, die mit geflüchteten Menschen arbeiten, stärker zu vernetzen und für einen besseren Wissenstransfer zu sorgen. Außerdem beteiligt sich das Amt für Schule und Weiterbildung an der Entwicklung neuer Bildungskonzepte für geflüchtete Kinder und Jugendliche und ihre Erziehungsberechtigten und gestaltet dazu Kooperationen mit den Hochschulen in der Stadt Münster.

2015 sind etwa 1.200 Kinder und Jugendliche ohne deutsche Sprachkenntnisse neu an den Schulen in Münster aufgenommen worden. Monatlich wurden im vergangenen Jahr etwa 120 Schüler/-innen von der Anlauf-, Beratungs- und Clearingstelle beraten. Mehr als ein Drittel von ihnen besuchen die Grundschulen. Alle zwei Wochen gibt es ein Treffen der Verantwortlichen bei der Schulaufsicht und beim Schulträger für den Grundschulbereich. Hier wird zum Beispiel geklärt, wie viele Plätze aktuell wo zur Verfügung stehen. Regelmäßig werden Treffen zwischen Schulträger und Schulaufsicht vereinbart, um die Kapazitäten an den Referenzschulen zu prüfen. 

Fünf Eckpunkte haben maßgeblich zum Gelingen des Münsteraner Konzeptes beigetragen:
1. Funktionierende Strukturen erfordern neue Formen der Zusammenarbeit und Koordinierung.
2. Es braucht eine zentrale Clearingstelle zur individuellen Schullaufbahn- und Potenzialberatung und zur Ermittlung einer passenden Schulform.
3. Bildungsangebote für zugewanderte Schüler/-innen in allen Schulformen verbessern die vertikale Bildungsmobilität.
4. Schulen brauchen Unterstützungsstrukturen, Eltern bedarfsorientierte und flexible Angebote.
5. Eine differenzierte Datengrundlage ist die Basis abgestimmter, passgenauer Bildungsplanung und erfolgreicher Integrationsarbeit. Entscheidender Maßstab für eine hohe Bildungsqualität ist nicht in erster Linie die Zahl der Angebote, sondern deren Verzahnung und Weiterentwicklung sowie ihr bedarfsgerechter Einsatz. Je stabiler und verbindlicher das gesamte Netzwerk ist, das diesen Prozess unterstützt, umso stärker wird es auch neue Herausforderungen auffangen und tragen können.