Newsletter Transferkompakt Mai 2016
Thema: Was Bildungsmanager vom Profifußball lernen können.

Können aktuelle Entwicklungen im Profifußball mit den Entwicklungen eines datenbasierten kommunalen Bildungsmanagements (DKBM) in Kommunen verglichen werden? Wir unternehmen einen Versuch und lassen uns insbesondere von der Euphorie um die anstehende Europameisterschaft inspirieren. Datenbasiertes Managen ist dabei sowohl im Fußball als auch im kommunalen Bildungsbereich gleichermaßen ein aktuelles Thema.

Der Weg zum datenbasierten Steuern im Profisport

Die Oakland A’s – ein unterfinanzierter amerikanischer Baseball-Club – machte sich als einer der ersten Sport-Clubs auf den Weg, das Wissen um die Interpretation von Spieler-Statistiken in sportliche Erfolge umzumünzen. Während große Baseball-Clubs wie die New York Yankees mit einem Jahresetat von 142 Millionen Dollar 103 der 142 Ligaspiele im Jahr 2002 gewannen, reichte den Oakland A’s unter ihrem statistik-affinen Trainer Billie Beane die im Vergleich lächerliche Summe vom 42 Millionen Dollar für die gleiche Zahl an Siegen aus. Beane und die „Moneyball-Years“ genannte erfolgreiche Zeit des Provinz-Clubs stand im Folgenden für einen Paradigmen-Wechsel in der Sportwelt: Zahlen, Statistiken und deren Auswertungen standen im Vordergrund. Das Sabermetrics genannte Bewertungs-System für Spieler wurde von Mathematikern entwickelt und zunächst auch im amerikanischen Sport belächelt. Erst der Erfolg der Oakland A’s und deren effizienter Mitteleinsatz verschaffte Sabermetrics eine umfassende Aufmerksamkeit (vgl. Biermann, 2011).

Der Europäische Fußball zieht nach

Dass dieses System auch in den Fußball übertragbar ist, gilt unter Experten noch als umstritten. Der Philosoph Wolfram Eilenberger äußert sich in einem TAZ-Interview eher kritisch dazu, dass die „Big Data“ ein „zufallsfreies Zeitalter“ auch im Fußball generieren können. Fußball sei zu individuell, zu sehr von äußeren Einflüssen abhängig, als dass sich eindeutige, strategische Muster entwickeln ließen. Ein Großteil der Spielabläufe sei nicht planbar, nackten Fakten blindes Vertrauen zu schenken, ist aus Eilenbergers Perspektive ein wenig erfolgsversprechendes Mittel, um dem Fußball mehr Erfolg zu bieten. 

Forschung und Lehre stehen jedoch bereits in den Startlöchern, Multiplikatoren für ein System der datenbasierten Spielanalyse zu etablieren (vgl. Theweleit, 2015). An dieser Stelle lässt sich eine Aussage des TAZ-Autors Theweleit auch auf die Philosophie des DKBM übertragen: „Klubs mit einer gepflegten Datenbank haben Vorteile, wenn sie Verstärkungen suchen, und Cheftrainer haben meist nicht genug Zeit, um sowohl die eigenen Spiele als auch die Partien der kommenden Gegner zu studieren.“ Er bezieht sich auf Prof. Daniel Mommert von der Deutschen Sporthochschule Köln, der mit dem weiterbildenden Masterstudiengang M.A. Spielanalyse zahlreiche Bundesliga-Clubs erreicht und sich auch auf die Erfahrungen der Oakland A’s bezieht. 

Einen praktischen Beweis liefert der dänische Fußball-Club FC Midtjylland. Ein englisches Wettbüro, das Spielwetten unter anderem nach dem System der Oakland A’s bewertet, finanzierte den bis dahin weniger erfolgreichen Club unter der Bedingung, Statistiken und Vorausberechnungen als Grundlage ihrer Spielphilosophie zu machen. Mit Erfolg: Der FC Midtylland wurde 2015 erstmals Meister in der Dänischen Superliga. Im Rahmen der Beschäftigung mit Statistiken, Spielerbewertungen und Interpretationen wurde nicht nur der Spielbetrieb verändert, auch das Management des Vereins nahm die erfolgreiche Philosophie an und erkennt nun den Wert von Daten, Analysen und Berechnungen als Entscheidungsgrundlage an. Passende Spieler für offene Positionen im Spielbetrieb zu finden und zu verpflichten basiert seit der Verwendung des „KPI“ (Key Performance Indicators) genannten Systems nicht mehr auf dem Bauchgefühl, sondern auf verlässlichen Datengrundlagen (vgl. Binder, 2015).

Was für den Fußball gilt, ist auch in der Kommunalverwaltung ein Thema

Auch die Steuerung von Organisationen – insbesondere von Unternehmen – anhand von Daten hat im angloamerikanischen Raum bereits eine längere Tradition. Daher ist die Nähe der Übertragung solcher Steuerungs- bzw. Controlling-Instrumente in andere Bereiche nicht überraschend. Dass Ende der 90er Jahre in den deutschen Kommunalverwaltungen das „Neue Steuerungsmodell“ eingeführt wurde, ist eine im internationalen Vergleich zwar relativ späte Umsetzung, zeigt aber auch, dass deutsche Kommunalverwaltungen sich unlängst mit einer Verwaltungsstruktur weg von der Bürokratie hin zum Management bewegen (vgl. Bogumil, 2007). 

Nach dem PISA-Schock und einem steigenden öffentlichen Bewusstsein für Bildungsungleichheiten kam auch der Bildungsbereich in den Fokus der Aufmerksamkeit. Heute sind Steuerungsmodelle im kommunalen Bildungsbereich umfänglich erprobt, auf Länderebene liegen insbesondere aus Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen etablierte Strukturen der kommunalen Bildungssteuerung vor. Was können wir also vergleichen? Fußball und Kommunalverwaltung haben zunächst nur wenig gemeinsam. Beides sind jedoch Organisationen, die mit einer Vielzahl von Einflüssen arbeiten und Entscheidungen treffen müssen, um eigene Ziel effizient und effektiv zu erreichen. Daten können dabei eine wichtige Rolle spielen. Diese zu erheben, sie auszuwerten und die richtigen Schlüsse zu ziehen, bedarf eines großen Verständnisses für die Möglichkeiten des datenbasierten Arbeitens und der gemeinsamen Anstrengung aller beteiligten Akteure sowie gut definierte Strukturen auf organisatorischer Ebene. Transparenz, Statistik, Datenhoheit und Aktualität sind dabei Begriffe, die für beide Organisationsformen eine immense Wichtigkeit besitzen. 

Datenbasiertes Steuern modernisiert Verwaltungsstrukturen

Spannende Ansätze für datenbasiertes Steuern sind im Profisport und in der Wirtschaft zu finden – auch Kommunen sind dabei, datenbasiertes kommunales Bildungsmanagement in der Praxis umzusetzen. Bemühen wir noch einmal Fußball-Analogien: Ist es so einfach möglich, sich als Kreisliga-Verein an einem Bundesligisten zu orientieren? Womöglich sogar in kürzester Zeit in die Champions-League zu gelangen? So einfach ist es sicherlich nicht, weil ein wichtiger Aspekt auch im DKBM nicht vernachlässigt werden kann: Ungleiches muss auch ungleich behandelt werden! Dennoch sind Veränderungen zur Modernisierung von Verwaltung hilfreich– wenn nicht sogar notwendig – um mit gesellschaftlichen Veränderungen und neuen kommunalen Herausforderungen Schritt halten zu können.

War die Kreisliga-Mannschaft doch gut damit beraten, ihre bekannte Struktur beizubehalten – man weiß, was man hat, und muss keinen Aufwand betreiben, neue Dinge anzugehen oder spezielle Techniken einzustudieren – stellt sich bei ausbleibendem Erfolg doch die Frage nach notwendigen Veränderungen. Gleiches gilt für die Bildungssteuerung in Kommunen: Veränderte gesellschaftliche Ausgangslagen, neue Techniken (insbesondere im Bereich der Datenhaltung und -verarbeitung) sowie die Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten durch das Internet bedürfen einen neuen Blick auf die Steuerung von Bildung und der Anpassung und gegebenenfalls Erweiterung bestehender Systeme kommunaler Arbeitsweisen. Wie schafft es eine Organisation aber nun, sich an den vermeintlichen „Goliaths“ der Branche zu orientieren? Gäbe es eine Unterstützung für Kreisliga-Teams, die Bundesliga-Tricks kennenzulernen und bei der Umsetzung im eigenen Verein begleitet zu werden, wäre dies sicherlich ein interessantes Angebot. Dass ein Kreisliga-Team innerhalb einer Saison aber plötzlich den DFB-Pokal in den Händen halten kann, ist eher ein Wunschtraum. Dass durch eine Optimierung des Trainings- und Vereinsbetriebes aber eine sportliche Verbesserung und eine bessere öffentliche Wahrnehmung erreicht werden kann, ist sicherlich denkbar.

Auch für Kommunen gilt: Wenn der Handlungswille da ist und politische Gremien einer Umsetzung zustimmen, kann ein innovativer Prozess begonnen werden. Mit der professionellen Unterstützung der Transferagentur kann ein koordiniertes Vorgehen bei der Analyse der Ausgangssituation, ein Austausch mit potenziellen „Goliaths“ sowie die Erstellung und Implementierung des Umsetzungsprozesses zielgerichtet gemeistert werden – um Strukturen des datenbasierten kommunalen Bildungsmanagements näherkommen zu können. 

Werden wir so Europameister?

Ob sich Jogi Löw auch den umfänglichen Methoden um Sabermetrics, Big Data, KPI oder des Datenbasierten Kommunalen Bildungsmanagements bemüht, ist uns derzeit nicht bekannt. In jedem Falle wünschen wir ihm und der Europameisterschafts-Mannschaft 2016 jedoch viel Erfolg und gute Ergebnisse bei dem anstehenden Wettkampf.

Mögen die Meisterschaftsspiele Ihnen im fröhlichen und friedvollen Miteinander viele spannungsgeladene und freudige Momente bereiten.

Quellen:

Biermann, Christoph (2011): Die Fußball-Matrix: Auf der Suche nach dem perfekten Spiel. Kiepenheuer & Witsch. Binder, Lovis (2015): „FC Midtjylland - mit Mathematik zum Erfolg“. www.sportschau.de. 17.9.2015. Bogumil, Jörg (2007): Zehn Jahre Neues Steuerungsmodell: eine Bilanz kommunaler Verwaltungsmodernisierung. edition sigma. Grabovac, Alem (2015): „Algorithmen im Fußball: Elf Dateien sollt ihr sein“. die tageszeitung. 8.2015. Theweleit, Daniel (2015): „Neuer Masterstudiengang „Spielanalyse“: Im Maschinenraum des Profifußballs“. die tageszeitung. 11.2015.