Newsletter Transferkompakt Juli 2020.

Thema: Eine kurze Geschichte des Bildungsmonitorings Teil II.

Im ersten Teil des Beitrages haben wir die Entwicklung der Bildungsberichterstattung betrachtet und festgestellt, dass wichtige Impulse in den 1980er Jahren von internationaler Ebene ausgegangen sind. Dies gilt sowohl bezüglich der ersten Promotoren (USA) als auch der Berichte, die als wichtige Katalysatoren der Gesamtentwicklung betrachtet werden können (Education at Glance, PISA). Bundesweit und auch mit spezifischem Blick auf Niedersachsen ist in den folgenden Dekaden ein deutlicher Anstieg des Outputs im Bildungsmonitoring zu beobachten. Das Engagement des Bundes und der Länder, die Entwicklungen nachhaltig zu fördern, sind deutlich erkennbar an der Förderung durch die Transferinitiative und das Programm "Lernen vor Ort". In diesem zweiten Teil des Recherche- und Überblickartikels zur Bildungsberichterstattung wird dargestellt, wie sich das Bildungsberichtwesen in niedersächischen Kommunen seither ausdifferenziert hat.

Teil II: Qualitative Aspekte der Bildungsberichterstattung

Im Fokus dieses Beitrages steht die Frage, wie die Entwicklungen in den Kommunen ausgehend von den wissenschaftlich-theoretischen Prämissen und Vorgaben stattgefunden hat. Eine allgemeingültige Definition bzw. ein einheitliches Verständnis von einem Bildungsbericht besteht nicht, vielmehr existieren verschiedene Ansätze indikatorengestützter Bildungsberichterstattung, die in der jeweiligen Ausprägung nebeneinander Bestand haben¹. Döbert et al. (2003) identifizieren auf der Ebene des nationalen Berichtswesens zwei übergeordnete Typen, die bildungsstatistisch fundierten und die inspektionsbasierten Berichte: „Während bildungsstatistisch fundierte Bildungsberichte eher geeignet erscheinen, das Bildungssystem mit seinen gesamtgesellschaftlichen Kontexten und Leistungen (Makroebene) zu reflektieren, sind inspektionsbasierte Bildungsberichte eher in der Lage, über ... [spezifische Themen] ... (Mikroebene) zu berichten“ (Döbert et al., 2003, S. 31)². 

Der im Rahmen von "Lernen vor Ort" konzipierte kommunale Bildungsbericht beschreibt auf der Makroebene: "Ein kommunaler Bildungsbericht ist - Bestandteil und zugleich wichtigstes Produkt des Bildungsmonitorings - eine bildungsbereichsübergreifende, indikatorengestützte, problemorientierte und auf Entwicklungen im zeitverlaufangelegte (Gesamt-)Darstellung über die Situation von Bildung auf kommunaler Ebene und in den einzelnen Gemeinden bzw. Stadtteilen" (Projektteam „Kommunales Bildungsmonitoring“ des DIPF 2011, S.7). Idealerweise verknüpft das kommunale Berichtswesen die Makro-  mit der Mikroebene, um auch die Wirkung von konkreten Maßnahmen und Projekten abbilden und damit Aussagen über den Nutzen für die Bürger*innen treffen zu können.

Von steuerungsrelevanten Informationen zu konkreter Steuerung

Mit Hilfe der Indikatoren bzw. Indikatoren-Sets, die der Anwendungsleitfaden der Transferinitiative vereint (vgl. Konsortiom Bildungsmonitoring 2018) verlässt die Bildungsberichterstattung die rein deskriptive Ebene. Auf Grundlage der zielgerichteten Zusammenführung der statistischen Daten können anschließend Handlungsfelder für die Gestaltung von Bildungslandschaften identifiziert werden. Doch das Bildungsberichtswesen berichtet neutral und entfaltet demzufolge durch die alleinige Zusammenstellung der Daten kaum Wirkung. Umso bedeutender ist die Frage, die es vor Ort zu beantworten gilt: Wie werden aus der reinen Datensammlung steuerungsrelevante Informationen? Unsere Beobachtung der Entwicklung des Bildungsberichtwesens in niedersächsischen Kommunen gibt einen Einblick in den Umgang mit dieser Herausforderung.

Umsetzung in Niedersachsen

Ein Blick auf die Datenbasis der uns bekannten niedersächsischen Publikationen der letzten 12 Jahre macht deutlich, dass sich das kommunale Berichtswesen in Niedersachsen in einer stetigen Entwicklung befindet. Es kann ein kontinuierlicher Anstieg von Publikationen festgestellt werden. Die Datenverfügbarkeit verbessert sich und die Akzeptanz von Bildungsmonitoring nimmt zu.

Auf internationaler Ebene stellen Döbert et al. im Zeitverlauf einen deutlichen Anstieg der Anzahl an Indikatoren fest1. Der zuletzt zu verzeichnende Anstieg an Publikationen in Niedersachsen ist jedoch eher den kompakteren Formaten zuzuordnen. Die veröffentlichten Berichte analysieren bestimmte Themen oder richten sich an spezifische Akteure. Ein Beispiel des kompakteren Formats ist der Bildungsbericht kompakt 2017 aus dem Heidekreis.

Insgesamt haben niedersächsische Kommunen 21 Bildungsberichte im Zeitraum von 2016 bis 2019 veröffentlicht, wobei 7 Berichte eine kompaktere Form aufweisen. Zusätzlich können noch 4 thematische Analysen verzeichnet werden, die innerhalb der letzten vier Jahre im Rahmen des kommunalen Bildungsmonitorings in Niedersachsen publiziert wurden2.

Zunehmende Ausdifferenzierung des Berichtswesens

Die genauere Betrachtung zeigt, dass sich die publizierten Berichte in ihrer Form und Gestaltung ausdifferenziert haben. Dabei handelt es sich nicht um den Rückzug des umfassenden Bildungsberichtes. Vielmehr zeigt sich in der Praxis eine Tendenz hin zu ergänzenden kompakteren Formaten.

Zum einen erfordert der kompakte Bericht einen geringeren Aufwand, sodass mit den vorhandenen personellen und finanziellen Ressourcen in der Kommunalverwaltung zentrale Kennzahlen zur Steuerung von Bildungsthemen stetig aufbereitet und transparent gemacht werden können. Darüber hinaus werden Entwicklungen und Trends in der kommunalen Bildungslandschaft besser erkennbar, wenn sie sich auf größere Zeiträume beziehen. Vollumfängliche Bildungsberichte werden dementsprechend in größeren zeitlichen Abständen veröffentlicht. Aber auch die gezieltere Kommunikation der zunächst neutral berichteten Daten ist ein Thema mit zunehmender Relevanz. Wie müssen Daten präsentiert und eingebettet werden, um Personen in die Lage zu versetzen, sich fundierte Meinungen zu bilden und in den Diskurs zu treten? Das Mittel der Reduktion ist hier in der Praxis von hoher Bedeutung. Vertiefte Kenntnisse der Datensätze liegen in der Regel bei Einzelpersonen vor, die in der Verwaltung als Multiplikatoren fungieren – auch gegenüber Entscheider/-innen. In diesem Zusammenhang stehen, neben der Reduktion, auch zum Teil zu beobachtende Anpassungen in der Darstellung der Daten in den Berichten, z.B. durch das Formulieren von Handlungsfeldern.

Fazit

Das kommunale Bildungsberichtswesen in Niedersachsen hat sich in den letzten 12 Jahren weiterentwickelt. Umfassende Bildungsberichte entsprechend des Anwendungsleitfadens werden durch weitere Formate ergänzt, die im Alltag der Kommunalverwaltung die Datenbasierung in der strategischen Steuerung von Bildung vor Ort stärken. Dieser Erfolg ist nicht zuletzt dem Engagement der einzelnen Fachkräfte im Bildungsmonitoring sowie dem stetigen Austausch und dem interkommunalen Transfer bisheriger Praxiserfahrungen zuzuschreiben.

In einem weiteren Artikel erwartet Sie ein noch detaillierterer Blick auf die Bildungsberichterstattung in niedersächsischen Kommunen! Alle aktuellen und potenziellen Mitglieder der Arbeitsgruppe Bildungsmonitoring des DKBM-Netzwerkes Niedersachsen sind herzlich eingeladen, ihre Anregungen zur bisherigen und Ideen zu weiteren Entwicklung des kommunalen Bildungsberichtswesens im Rahmen des Online-Forums einzubringen.   

Autorinnen: Maria Leuschner, Dr. Friederike Meyer zu Schwabedissen, Transferagentur Niedersachsen  

Fußnoten:
1Bei der Betrachtung des OECD Berichtswesens wird ein Anstieg von 36 Indikatoren im Jahr 1992 auf 47 Indikatoren im Jahr 1995 beobachtet. Im Rahmen des EU-Berichtswesens zeigen sich vergleichbare Tendenzen - von 120 Indikatoren (1996) zu 145 (2002) (vgl. Döbert & Weißhaupt 2003, S. 11-14).

2Quelle: eigene Erhebung (Stand Februar 2020).