Newsletter TRANSFERkompakt September 2021

Interview: Digitaler Bildungstag der Bildungsregion Grafschaft Bentheim.

Der Auf- und Ausbau des datenbasierten kommunalen Bildungsmanagements (DKBM) bietet die Chance, wichtigen Herausforderungen einer Kommune gerecht zu werden. Die Vielfalt der Menschen, die in einer Kommune zusammenleben, ist eine solche Herausforderung. Fachleute brauchen differenziertes Wissen über die Vielfältigkeit der Zielgruppen, um den Menschen, ihren unterschiedlichen Fähigkeiten, kulturellen Hintergründen, Empfindungen und Ausrichtungen in Bildungskontexten gerecht zu werden. Die Bildungsregion Grafschaft Bentheim hat mit dem Digitalen Bildungstag „Vielfalt bereichert“ am 23. Februar 2021 das Thema Diversität aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet.

Die 135 Teilnehmenden aus den unterschiedlichsten Bildungseinrichtungen und -institutionen erhielten neue Denkanstöße in einem Vortrag und sieben Workshops, unter anderem zu Differenz- und Diskriminierungssensibilität in Beratung und Pädagogik. Das Feedback der Teilnehmenden lautete: Erwartungen voll erfüllt. Damit zeigt der Landkreis Grafschaft Bentheim, dass auch Online-Formate erfolgreich genutzt werden können, um Netzwerke anzuregen, die anschließend eine Basis für Kooperationen bilden. Wie der Digitale Bildungstag organisiert wurde und wie die Ergebnisse nachhaltig in die Bildungslandschaft integriert werden können, berichtet Jana Rassi, Koordinatorin der Bildungsangebote für Neuzugewanderte im Bildungsbüro der Grafschaft.

Frau Rassi, warum haben Sie sich dazu entschieden, einen Digitalen Bildungstag zum Thema „Vielfalt bereichert!“ zu veranstalten?  
In der Aufgabenbeschreibung für die Stelle der kommunalen Koordination für Bildungsangebote von Neuzugewanderten war bereits festgelegt, dass ein Bildungstag organisiert werden soll. Das Thema Zuwanderung wirkte jedoch für einen Bildungstag zu eng gefasst, um relevante, kommunale Bildungsakteure miteinander ins Gespräch zu bringen. Aktuell erschienen uns vielmehr die Themen Diversität und der Umgang mit dem Andersseins. In verschiedenen Fachvorträgen sollten Strategien für den Umgang mit Diversität im Arbeitsumfeld entwickelt werden.

Warum ist Diversität für Kommunen ein wichtiges Bildungsthema? Wie kann eine Bildungslandschaft den wichtigen Anforderungen von Inklusion, Integration und Diversität gerecht werden?
Es ist ein wichtiges Thema, da wir uns von dem Gedanken verabschieden müssen, dass es homogene Gruppen gibt. In jeder Klasse, in jeder Lerngruppe sind unterschiedliche Menschen, die sichtbare und unsichtbare Merkmale besitzen, die sie als Individuen ausmachen. Uns ging es darum, den Blick dafür zu schärfen: Wen habe ich da vor mir? Wen möchte ich wie erreichen und mit meinen Bildungsinhalten ansprechen? Diese offene, reflexive Haltung setzt voraus, dass ich mich weg bewege von meinem Schubladendenken, von meinem Bild, das ich mir vorher gemacht habe. Diversitätsbewusstsein führt dazu, dass die adressierte Person sich angesprochen und wohl fühlt. Elementar ist daher die Selbstreflexion in jedem Lernkontext: Wie gehe ich mit anderen um? Mit welchen Voraussetzungen begegne ich Menschen? Viele aus dem pädagogischen Bereich haben dies bereits verinnerlicht, allerdings ist diese Haltung sehr stark abhängig von der eigenen Vorbildung und den eigenen Interessen. Daher wollten wir den Fokus darauf legen und betrachten: Was machen wir schon gut? Und wo können wir noch etwas Neues dazulernen?

So ein Bildungstag lässt sich nicht alleine organisieren. Mit welchen internen und externen Akteuren haben Sie in der Vorbereitung kooperiert?
Zur Vorbereitung konnte ich einige Interessierte aus verschiedensten Bildungsbereichen zur Zusammenarbeit gewinnen und ein aktives Planungsteam gründen. Das Planungsteam bestand aus Vertreter/-innen aus der Frühkindlichen Bildung (nifbe), der Bildungskoordinatorin, mir als Kommunaler Koordinierender sowie Mitarbeitenden der VHS und des Jobcenters, also Mitwirkenden entlang der Bildungsbiographie und den Schnittpunkten bzw. Übergängen. Die Mitarbeiter/-innen dieser Institutionen gehörten gleichzeitig zur Zielgruppe des Bildungstages, so war es gut, dass die Sichtweisen und Bedürfnisse der unterschiedlichen Bereiche bereits in der Planung mitbedacht wurden.

Welche Herausforderungen hatten Sie bei der Organisation eines digitalen Bildungstages zu bewältigen? Worauf musste besonders geachtet werden?
Zunächst hatten wir einen Präsenzfachtag im November 2020 geplant und haben dann frühzeitig entschieden alles rein digital umzusetzen, um ausreichend Zeit zur Vorbereitung zu haben. Im November haben wir zunächst eine kleine Auftaktveranstaltung durchgeführt, die auf den Digitalen Bildungstag im Februar 2021 hingewiesen hat. Für die Durchführung haben wir uns dazu entschieden einen „digitalen Hausmeister“ zu beauftragen, also einen Experten, der sich um den digitalen Raum kümmert. Für die digitale Organisation braucht es viel Know-How, das wir in Gänze zur Verfügung stellen wollten, weswegen uns eine externe Unterstützung wichtig war. Um den reibungslosen Ablauf zu gewährleisten – wer spricht wann, wann wird von wem etwas freigeschaltet – habe ich ein Skript geschrieben, das für alle Moderator/-innen, Redner/-innen und den „Hausmeister“ einsehbar war. Denn anders als im analogen Raum, ist es nicht möglich durch nonverbale oder verbale Kommunikation eine Moderation zu übergeben. Wir haben daher sehr stark die Besonderheiten des digitalen Raumes berücksichtigt und uns entsprechend angepasst. Essenziell war ebenso, Dinge zu integrieren, die nicht digital sind. Wir haben im Vorfeld Post verschickt mit einem Tee, Schokolade, einer Gewürzmischung und einem Rezept. Letzteres wurde in der Mittagspause via Livestream von einem Jungkoch einer Berufsschule vorgekocht. Außerdem gab es das freiwillige Angebot vom Kreissportbund an einer Nackenentspannungseinheit teilzunehmen. Insgesamt ist das Feedback der Teilnehmenden sehr positiv ausgefallen.

Zur Person

Name: Jana Rassi
Tätigkeitsbeschreibung: Koordinatorin für Bildungsangebote für Neuzugewanderte
Beim Landkreis Grafschaft Bentheim seit: Februar 2020

Fragen, Ideen, Anregungen gerne an: jana.rassigrafschaftde​
> Bildungsregion Grafschaft Bentheim


Der Digitale Bildungstag war auch ein wichtiges Vernetzungsevent. Haben Sie schon eine Idee, wie Sie die neuen Kontakte in nachhaltige Kooperationen und Strukturen überführen? Und wie werden die Impulse aus dem Bildungstag weiter in die Bildungsregion integriert?

Der Austausch beim Bildungstag hat deutlich gezeigt, dass viele Bildungsakteure noch sehr damit beschäftigt sind, den allgemeinen Betrieb unter Coronabedingungen aufrechtzuerhalten und zu gestalten. Wir konnten mit unserer digitalen Umsetzung des Bildungstages aufzeigen, dass Austausch und Vernetzung trotzdem gelingen kann. Neben der Inspiration für die vielfältigen Umsetzungsmöglichkeiten digitaler Formate konnten die Teilnehmenden auch viele neue Impulse auf inhaltlicher Ebene mitnehmen. Das Bewusstsein für Ausgrenzung und unbewusste Barrieren zu schärfen, ermöglicht Strategien für den Umgang mit Diversität im Arbeitsumfeld zu entwickeln.

Die intensive und aktive Zusammenarbeit innerhalb des Planungsteams hat sowohl die Kooperation als auch das Verständnis als Team zusammenzuwirken verstärkt. Das Thema soll daher auch zukünftig weiter gemeinsam bearbeitet werden. Die Ergebnisse des Bildungstages unterstützen uns bei der Entwicklung möglicher neuer Projekte. Das Bildungsbüro will die Impulse unter anderem nutzen, um die Vernetzung zwischen den Einrichtungen und Institutionen in den Themenbereichen Demokratie, Vielfalt und Toleranz voran zu treiben. Darüber hinaus wird ein Austausch für interkulturelle Trainer und Trainerinnen initiiert. Auch weitere Fortbildungen und Workshops zum Thema „Diversität“ sollen angeboten werden und wir sind sicher, dass Folgeangebote auf offene Ohren stoßen werden.

Die erfolgreiche Durchführung des Bildungstages hat dazu beigetragen, dass die Steuergruppe der Bildungsregion sich auch für die Zukunft wünscht, mit der Bezeichnung „Grafschafter Bildungstag“ einen feststehenden Begriff mit regionalem Bezug zu etablieren, der neben der Fachlichkeit einen Schwerpunkt auf die Entwicklung von individueller Bildung legt.

Frau Rassi, wir bedanken uns sehr herzlich für das Interview!