Newsletter TRANSFERkompakt März 2022

Aufholen nach Corona – Monitoring zur Bildungssituation in Zeiten der Pandemie.

Die plötzlich beginnende Corona-Pandemie Anfang 2020 mit ihren damals noch unvorhersehbaren Folgen betrifft nun seit bereits zwei Jahren das gesamte gesellschaftliche Leben. Auch kommunale Verwaltungen werden noch immer mit zahlreichen neuen Herausforderungen und Auswirkungen in den verschiedensten Bereichen konfrontiert. Durch ein gezieltes Monitoring ist es möglich, Problemlagen datenbasiert zu identifizieren und bedarfsgerechte Angebote zur Bewältigung zu schaffen. Wie, das zeigen die nachfolgenden kommunalen Beispiele.

Die Einschränkungen der Pandemie mit all ihren Folgen für das gesellschaftliche Leben brachten somit auch weitreichende Einflüsse auf das Bildungsgeschehen mit sich, denen sich das kommunale Bildungsmanagement in koordinierender Funktion zu stellen hat. Die Schulen und Kitas waren über einen langen Zeitraum geschlossen. Kinder und Jugendliche konnten sich nicht mehr mit ihren Freunden treffen oder ihren gewohnten Hobbys wie Sport, Musik etc., nachgehen. Aber nicht nur für Kinder und Jugendliche hat sich der Alltag verändert, auch Erwachsene haben eine deutliche Veränderung ihrer Lebenswelt erlebt. Eltern mussten die Kinderbetreuung, oft auch neben ihren beruflichen Pflichten, übernehmen. Zu den Aufgaben gehörte bei schulpflichtigen Kindern im Rahmen des Homeschoolings auch die Unterstützung bei den Schulaufgaben. Darüber hinaus wurde der Arbeitsplatz wo möglich größtenteils ins Homeoffice verlegt, Weiterbildungsangebote wurden abgesagt, Fortbildungen verschoben. Mit der Zeit haben sich sowohl die beruflichen Arbeitsprozesse der Eltern als auch die schulischen und außerschulischen Lernprozesse der Kinder bestmöglich an die bestehenden Bedingungen angepasst. Digitale Lösungen wurden aufgebaut und eingeübt sodass diese nun, im März 2022, bei vielen fast selbstverständliche, mehr oder weniger gut funktionierende Arbeitsinstrumente darstellen.

Anhand der folgenden Beispiele aus der Praxis geben wir Ihnen Einblicke, wie einige niedersächsische Kommunen sich auf den Weg gemacht haben, Fragen zu den Auswirkungen und Folgen der Pandemie zu eruieren. Dabei wurde Wert daraufgelegt, die Sicht der Kinder, Jugendlichen und auch Erwachsenen einzufangen. Die Befragungen in ihrer Gesamtheit schildern wie die Situation aus Sicht der jeweiligen Zielgruppe beschrieben wird und welche Unterstützungsmöglichkeiten gefragt sind.

„Muntermacher“-Befragung der Stadt Osnabrück

Die Stadt Osnabrück hat das Projekt „Muntermacher“ aufgesetzt, um die Einflüsse der Pandemie und die Ist-Situation für Kinder und Jugendliche sichtbar zu machen und gezielte Unterstützungsangebote anbieten zu können. Dazu wurde unter Federführung des Fachbereichs Bildung eine wissenschaftliche Umfrage bei Kindern und Jugendlichen zur „aktuellen schulischen und persönlichen Situation und Corona“ durchgeführt. Diese hatte zum Ziel, Kindern und Jugendlichen eine Stimme zu geben, um so die konkreten Bedarfe datenbasiert darzulegen und diese anschließend in die Maßnahmenplanung einfließen zu lassen. Das Projekt wurde in Kooperation gemeinsam mit der Friedel & Gisela Bohnenkamp-Stiftung und der Universität Osnabrück ins Leben gerufen. Die zentralen Fragen, die bei der Umfrage im Rahmen des Projektes „Muntermacher“ geklärt wurden, waren:

  1. „Wie erlebten Osnabrücker Schüler:innen die Schulschließungen während des vergangenen Lockdowns“ und
  2. „Welche Wünsche haben sie mit Blick auf Schule, Familie und Freizeit?“

Die wissenschaftliche Erhebung zeigt, dass die fehlenden sozialen Kontakte als größte Herausforderung der Bildungssituation des Homeschoolings beschrieben wird. Aber auch das Homeschooling an sich mit eigenverantwortlichem Lernen und der Bewältigung der Aufgaben ohne adäquate Unterstützung durch Lehrkräfte, wird als herausfordernde Situation aufgezeigt. In Bezug auf Wünsche für Schule, Freizeit und Familie besteht der Bedarf, wieder den normalen Freizeitaktivitäten nachgehen zu können.
Mittlerweile konnten unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Befragung über 50 Projekte auf den Weg gebracht werden, welche von dem kommunalen Bildungs- und Unterstützungsfonds, der von der Stadt Osnabrück im Jahr 2021 beschlossen wurde, in Kooperation mit den regionalen Stiftungen „Netzwerk Bildung“ finanziert werden. Der Fonds wurde mit Mitteln in Höhe von über 500.000 Euro bereitgestellt. Für 2022 sollen weitere Mittel zur Verfügung gestellt werden, um den Pandemiefolgen weiterhin gezielt entgegen zu wirken. Zusätzlich werden auch weitere Förderangebote aus den Programmen „Aufholen nach Corona“ und „Startklar in die Zukunft“ umgesetzt. Die Koordination des Fonds läuft über den Fachdienst Bildung der Stadt Osnabrück (Kontakt: Ute Tromp, Fachdienstleiterin Strategisches Bildungsmanagement, Stadt Osnabrück).
> Ergebnisse der Befragung 


Stadt Braunschweig: „Lernförderung“ und „gesellschaftliche Teilhabe“

Die Stadt Braunschweig hat ebenfalls ein zweistufiges Verfahren genutzt, um Bedarfe und Wünsche der Kinder und Jugendlichen in den Bereichen „Lernförderung“ und „gesellschaftliche Teilhabe“ im Zusammenhang mit dem Sonderbudget für Schulen zu eruieren. Im ersten Schritt wurde eine Online-Befragung von Schüler:innen zu ihren Wünschen in den Bereichen „Lernförderung“ und „gesellschaftliche Teilhabe“ durchgeführt. Die Ergebnisse wurden den jeweiligen Schulen übermittelt, so dass die Möglichkeit besteht, die gewonnenen Erkenntnisse in die Entscheidung zum Einsatz der Mittel einfließen zu lassen. 

Im Anschluss an die Befragung fand im zweiten Teil ein online durchgeführter „Markt der Möglichkeiten“ statt. Zur Zielgruppe dieser Veranstaltung zählten Schulleitungen, Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter:innen sowie Anbieter:innen von Bildungsangeboten der Lernförderung und gesellschaftlichen Teilhabe. Im Vordergrund des „Marktes der Möglichkeiten“ stand eine niedrigschwellige Vernetzung der Teilnehmenden, um die passgenauen und individuellen Lösungen für den Einsatz des Sonderbudgets zu finden. Die Vertreter:innen der Schulen waren dabei  Multiplikator:innen, die die Ergebnisse und Informationen innerhalb ihrer Schule weitergeben konnten, während sich den Anbieter:innen von Bildungsangeboten die Möglichkeit bot, ihre Angebote einer breit gefächerten Zielgruppe zu präsentieren. Die Teilnehmenden haben den zielgerichteten Austausch und das Format sehr begrüßt.

Unabhängig davon stellte die Stadt Braunschweig, zusätzlich zu den Bundes- und Landesmitteln, im Jahr 2021 einmalig Mittel in Höhe von knapp 140.000 Euro für einen Corona-Bildungsfonds zur Verfügung. Ziel war es, Projekte der non-formalen und informellen Bildung zu unterstützen, die auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie reagieren und in besonderem Maße die Bildungsteilhabe in unterschiedlichen Bereichen fördern. Bildungsinstitutionen, Anbieter der Kinder- und Jugendhilfe, Wohlfahrtsverbände, freie Träger:innen und Vereine konnten finanzielle Zuwendungen beantragen.

Evaluation zu Handlungsbedarfen an Grundschulen der Stadt Salzgitter

Die Stadt Salzgitter hat nach den Sommerferien 2021 einen Dialog mit ausgewählten Grundschulen begonnen, um die in der ersten längeren Präsenzphase an den Schulen aufgelaufene Probleme und Nachholbedarfe zu eruieren. Die Auswahl der Schulen erfolgte hierbei aufgrund der sozialräumlichen Strukturdaten und der Schülerschaft. Bei dieser ersten Befragung sollten die Schulen ergebnissoffen frei schildern, in welchen Bereichen aus ihrer Sicht die größten Probleme und Handlungsbedarfe entstanden seien. Im Rahmen eines kleinen digitalen Fachtages mit den übrigen Grundschulleitungen der Kommune, dem zuständigen Regionalen Landesamt für Schule und Bildung Braunschweig und einigen Elternvertreter:innen sind die Ergebnisse sowie der Stand der Umsetzung des Aktionsprogrammes „Startklar in die Zukunft“ im Anschluss vorgestellt worden. Darüber hinaus sind die Ergebnisse der Befragung mit den Erfahrungen der übrigen Grundschulen abgeglichen worden. Dabei wurden allgemeine Lernrückstände zwar von allen Schulen erwähnt, spielten aber beim Feedback und der Lagebeschreibung der Schulen überraschenderweise in der Regel nicht die Hauptrolle. Alle Schulen berichteten unabhängig voneinander im Rahmen der Befragung und des Fachtages von einem stark verschärften Leistungsgefälle, von teilweise erheblichen Rückschritten hinsichtlich des Spracherwerbs von Nicht-Muttersprachlern und einem von Konflikten geprägten Sozialverhalten. Besonders betroffen seien die ersten beiden Jahrgangsstufen. Viele Schulen beschrieben neben geringerer gegenseitiger Rücksichtnahme mehr Konflikte und häufigere Leistungsverweigerung im Vergleich zu früheren Jahrgängen. Zeitgleich seien durch die Pandemiemaßnahmen und -auflagen viele pädagogische Mittel wie z.B. Gruppenarbeit und andere Maßnahmen zur Stärkung des Sozialverhaltens eingeschränkt. Auch sei oft ein spürbarer Rückgang hinsichtlich des Selbstvertrauens, Fleiß, Initiative und anderer Persönlichkeitsmerkmale bemerkbar. Vereinzelt erwähnten Schulen eine Zunahme von häuslichen Problemen und einhergehenden Unterstützungs- und Schutzmaßnahmen des Jugendamtes.

Die Stadt Salzgitter plant, das von Land und Bund bereitgestellte Budget sowie auch eigene Haushaltsmittel in passende Unterstützungsmaßnahmen einfließen zu lassen. Aufbauend auf dem Fachtag führt die Stadt Salzgitter den Dialog mit den Grundschulen fort, um die Unterstützung anhand der jeweiligen Bedürfnisse vor Ort auszugestalten.

Elternbefragung „Distanzlernen“ im Landkreis Osnabrück 

Im Landkreis Osnabrück wurde eine Befragung zu den Auswirkungen des Distanzlernens durchgeführt. Das Ziel war es, herauszufinden, wie Eltern die Zeit des Distanzlernens erlebt haben. Dem Team der Bildungsregion ging es vor allem darum, neben den negativ assoziierten Erlebnissen auch positive Aspekte und Auswirkungen für die Familien zu identifizieren. Bereits zu Beginn der Pandemie 2020 wurden verschiedene Unterstützungsangebote für Eltern und Lehrkräfte von der Bildungsregion angestoßen. Daraus entstand Anfang 2021 die Idee, den Eltern mittels einer Online-Umfrage gezielt eine Plattform für Rückmeldung zu Erlebnissen und Herausforderungen während des Distanzlernens zu bieten. In Kooperation mit dem Regionalen Landesamt für Schulen und Bildung (RLSB) Osnabrück wurden die Inhalte und Rahmenbedingungen der Elternbefragung abgestimmt, so dass diese im Juni 2021 durchgeführt werden konnte. 
Der Umfragelink wurde über die Schulen an die Eltern weitergeleitet. Insgesamt lag der Rücklauf bei 3.345 Fragebögen. Allgemein konnte eine Beteiligung aller Schulformen erreicht werden. Neben vielen allgemeinen Fragen zum Unterstützungsbedarf und zur Belastung der Familien wurde auch explizit nach positiven und negativen Aspekten des Distanzlernens gefragt. Beispielsweise haben sich nach Einschätzung der Eltern die digitalen Kompetenzen, die Eigenständigkeit und die Selbstorganisation des Kindes durch das Distanzlernen verbessert. Auch ein geringerer Leistungsdruck, mehr Einblicke in die Lerninhalte und das Schulleben des Kindes sowie eine Reduktion der sozialen Konflikte wurden als positiv hervorgehoben. Aspekte wie die Unterstützung durch die Schulen und Lehrkräfte wurden hingegen sowohl bei den positiven Aspekten als auch bei den negativen Aspekten genannt.
> Ergebnisse der Befragung 

Um den in der Umfrage identifizierten Herausforderungen und Bedarfen begegnen zu können, hat der Landkreis Osnabrück verschiedene Angebote für Eltern, aber auch Lehrkräfte, Schulsozialarbeit und pädagogisch Mitarbeitende an Schulen über das Programm QualiVIT geplant und umgesetzt, dazu zählen unter anderem: 

  • Elternfortbildungen zum Thema „Mit Kindern lernen – weniger Stress bei Hausaufgaben und Co.“
  • Workshops für Mitarbeitende und Lehrende an Schulen zum Thema Kommunikation z.B. „Auf Augenhöhe – Mit der dialogischen Haltung die Arbeit mit Eltern gestalten“
  • Vorträge für Eltern z.B. „Kleine Sensibelchen – Hochsensible Kinder: Ihre Bedürfnisse und Herausforderungen“
  • Sowie ein wöchentlicher, offener Austausch für interessierte Eltern zu Themen wie „Motivation im Homeschooling“, „Ferien: Freie Zeit oder Lernzeit?“ oder „Psychische Familiengesundheit: glücklich und zufrieden sein trotz Krise“

Weitere aktuelle Angebote finden Sie unter www.qualivit.de. (Kontakt: Ina Eversmann, Bildungskoordinatorin des Landkreises Osnabrück)

Umfrage zu Auswirkungen der Pandemie in Sportvereinen der Stadt Wolfsburg

Der Geschäftsbereich Sport der Stadt Wolfsburg hat vom 25. März bis 06. Mai 2021 in einer Umfrage die Wolfsburger Sportvereine zu den Auswirkungen der Pandemie befragt (Auswirkungen der Pandemie auf die Wolfsburger Sportvereine). Eine zweite Befragung ist für den selben Zeitraum im Jahr 2022 vorgesehen.
Um die Auswirkungen der Pandemie für Kinder und Jugendliche in der Stadt Wolfsburg abzumildern, fördert diese in einem „Corona-Sonderfond“ neun Projekte mit bis zu 100.000 Euro.

„Belastung im Homeschooling“ und „Lernräume 2020“ im Landkreis Diepholz

Der Landkreis Diepholz hat die Bildungssituation nach Corona mit zwei Befragungen erfasst. Zunächst wurden in einer digitalen Umfrage die Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufen I und II zur „Belastung im Homeschooling“ befragt. Insgesamt wurden 28 Schulen mit der Bitte um Teilnahme an der Befragung angeschrieben. Aus 16 Schulen konnte ein Rücklauf von insgesamt 400 Fragebögen erzielt werden. Trotz der relativ geringen Rücklaufquote kann aufgrund einer guten Durchmischung der Teilnehmenden – bezogen auf die Faktoren Geschlecht, Alter und Schulform – von einer gewissen Repräsentativität ausgegangen werden. Die Fragen zielten insbesondere auf die persönliche Sicht der Schüler:innen zur Situation ab, z.B. „Wurde die Situation als belastend wahrgenommen oder gab es auch positive Aspekte?“. Zudem wurden die Themen „größte Veränderungen“ und „Sorgen um Schulnoten/berufliche Zukunft“ abgefragt. Die bisher bereits veröffentlichten Ergebnisse sind insbesondere durch die Vernetzungsgruppe der Schulsozialpädagogen und Beratungslehrkräfte für die weitere Arbeit aufgegriffen worden. Die Veröffentlichung der Ergebnisse soll ergänzend zum kommenden Bildungsbericht stattfinden.

Neben der komplexeren Befragung wurde auch eine kleine Evaluation der „Lernräume 2020“ durchgeführt. Dazu wurden die Träger zu den Eckdaten befragt: „Wie viele Angebote gab es? Was waren die Inhalte? Wie viele Anmeldungen gab es? Bzw., wie war die Auslastung? Welche Probleme sind gegebenenfalls aufgetaucht?“ Hier zeigte sich deutlich, dass die sehr kurze Vorlaufzeit zwischen Ankündigung des Programmes, Ende der Antragsfrist, sowie Durchführungszeitraum (Sommerferien 2020), dazu führte, dass nur wenige Projekte angeboten werden konnten. Der Großteil der Angebote an Schulen oder durch außerschulische Träger fand regelmäßig in den Sommerferien statt. Auch war der Zeitraum zum Werben für die Angebote oft sehr kurz, sodass die Teilnehmendenzahlen höher waren, je später die Angebote stattfanden.

Die Ergebnisse der Befragungen wurden im Rahmen des Steuerungskreislaufes in der Steuergruppe Bildung sowie den entsprechenden Arbeitsgruppen vorgestellt und diskutiert, um mögliche Unterstützungsangebote zu entwickeln. (Kontakt: Britta Jürges, Bildungsbüro Landkreis Diepholz).