Newsletter TRANSFERkompakt September 2022

Thema: Wie kulturelle Bildung den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken kann.

Der Krieg in der Ukraine, verbunden mit der Integration von Geflüchteten, steigenden Kosten und der drohenden Energiekrise, sowie die noch immer spürbaren Folgen der Pandemie – in herausfordernden Zeiten wie diesen ist es umso wichtiger, den Zusammenhalt als Basis des Miteinanders zu stärken. Wieso kulturelle Bildung hierbei eine entscheidende Rolle spielt und wie Kommunen diese mit Hilfe von DKBM-Strukturen fördern können, beleuchtet der folgende Beitrag.

Aktuelle Herausforderungen für den Zusammenhalt

Gesellschaftlicher Zusammenhalt gewinnt insbesondere in Tagen großer gesellschaftlicher und politischer Veränderungen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Haben die Pandemie und ihre Folgen bereits ein Ringen um Zusammenhalt und Solidarität gefordert, muss die Gesellschaft nun auf vielerlei Ebenen den Auswirkungen des Ukraine-Krieges begegnen. Hierbei ist ein Auseinanderdriften der Gesellschaft nicht nur auf politischer Ebene zu beobachten, sondern wird zudem im alltäglichen Miteinander erlebbar. Neben der Aufnahme und strukturellen Integration von Geflüchteten in die unterschiedlichen Systeme der Gesellschaft, führt insbesondere die im Zusammenhang mit den Sanktionen gegenüber Russland drohende Energiekrise im Herbst und Winter zu großen Herausforderungen. Eine seit Jahrzehnten nicht dagewesene Sorge um die Verfügbarkeit von Energien gepaart mit einer stetig steigenden Inflation trifft letztlich uns alle. Die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Entwicklung sind noch nicht vollends abschätzbar, die Folgen für jede:n Einzelne:n sind insbesondere durch die stark steigenden Gas- und Strompreise bereits jetzt sehr präsent und machen ein gemeinschaftliches Energiesparen notwendig. Mehr denn je ist somit mit Blick auf den kommenden Winter ein Zusammenrücken der Gesellschaft notwendig, sodass alle gesellschaftlichen Gruppen sich befähigt und ausreichend unterstützt fühlen, diesen komplexen Herausforderungen zu begegnen. Wie kann nun dieses Zusammenführen für ein gesellschaftliches Miteinander gelingen? Und wie kann ein datenbasiertes kommunales Bildungsmanagement (DKBM) dabei unterstützen?

Kulturelle Bildung stärkt die Persönlichkeitsentwicklung

Ein möglicher Ansatz, den stetigen Herausforderungen zu begegnen, ist die aktive Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Das Ziel sollte sein, die verschiedenen Bevölkerungs- und Altersgruppen zu erreichen und in die Gesellschaft einzubinden. Dies kann im besonderen Maße durch kulturelle Bildung erreicht werden, denn diese kann notwendige „Bindekräfte in der Gesellschaft“ aktivieren, um „innere Disparitäten, die zu Konflikten und Spaltungen führen können“ zu vermeiden (vgl. Fuchs 2018). Fuchs stellt in seinem Artikel zum Zusammenhang von gesellschaftlichem Zusammenhalt und kultureller Bildung heraus, dass diesbezüglich der Bildung des Subjektes, d.h. der Persönlichkeitsentwicklung, eine zentrale Rolle zukommt und die kulturelle Bildung als ästhetisch-kulturelle Praxis einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten kann.

Dies gilt insbesondere dann, wenn kulturelle Bildung verstanden wird als „… produktive und rezeptive Allgemeinbildung in den Künsten, die – ausgehend von einem Selbstbildungsprozess – auf kritische Reflexionsfähigkeit, Erfahrungen von Selbstwirksamkeit und damit Teilhabeprozesse zielt“ (vgl. Reinwand 2012). Kulturelle Bildung erstreckt sich dabei nicht allein auf die Auseinandersetzung der Einzelnen in den gesellschaftlichen Feldern der Kunst und Kultur. Denn die durch Lernerfahrungen und Selbstbildung erworbenen Kompetenzen können dabei unterstützen, persönlichen Herausforderungen im Alltag und im Zusammenleben zu begegnen. Kulturelle Bildung trägt damit zur Persönlichkeitsentwicklung bei, indem die eigene (kulturelle) Identität gestärkt und so ein stabiles und sicheres Agieren in der Gesellschaft gefördert wird. Der Bereich der kulturellen Bildung erreicht verschiedene Alters- und Bevölkerungsgruppen und kann über Grenzen hinweg wirken. „… Zugang zu und die Partizipation an kulturellen Angeboten für alle – und insbesondere für die benachteiligten – Kinder und Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund sicherzustellen…“ (vgl. Kulturelle Bildung – BMBF) trägt nicht nur zur Bildungsgerechtigkeit, sondern auch zur Teilhabe an der Gesellschaft bei. „Kulturelle Teilhabe bedeutet Partizipation am künstlerisch kulturellen Geschehen einer Gesellschaft im Besonderen und an ihren Lebens- und Handlungsvollzügen im Allgemeinen“ (Ermert 2009). Somit lässt sich bis hierhin festhalten, dass Kommunen den gesellschaftlichen Zusammenhalt u.a. durch kulturelle Bildung fördern können, wodurch zugleich kulturelle Teilhabe und Bildungsgerechtigkeit für alle Bürger:innen gestärkt wird.

Wie Kommunen den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern können

1. Gestaltung der kulturellen Bildung durch DKBM

Dabei geht es zunächst darum, eine Vision zu entwickeln, um nicht nur Antworten auf gesellschaftliche Herausforderungen zu finden, sondern auch die Bildungslandschaft aktiv zu gestalten. Die erarbeiteten Visionen werden mit Blick auf die kommunalen Bedarfe weiterentwickelt, um in die kommunale Praxis übersetzt werden zu können. Als Grundlage dafür eignet sich der DKBM-Steuerungskreislauf samt der leitenden Fragestellungen:

  1. Was ist im jeweiligen Handlungsfeld kommunal beeinflussbar/gestaltbar?
  2. Durch welche Maßnahmen werden diese Ziele umgesetzt und wie?
  3. Welche Strukturen und Prozesse des DKBM unterstützen bei der erfolgreichen Umsetzung?
  4. Wie macht sich der Erfolg/die Veränderung bemerkbar und wie wird davon berichtet?

Bezogen auf die kulturelle Bildung bedeutet das: Die gesellschaftlichen Strukturen und Lebensformen der Bürger:innen unterliegen einer Pluralisierung mit der Tendenz zur Individualisierung. Verschiedene Lebensweisen koexistieren zum einen friedlich nebeneinander, auf der anderen Seite lässt sich ein Auseinanderdriften in verschiedene Strömungen beobachten. In einer Gesellschaft muss es zum einen möglich sein, den Bedarfen individualisierter Lebensentwürfe zu begegnen, gleichzeitig aber auch den Rahmen für ein stabiles Miteinander zu erhalten.

 

Durch die zentrale Steuerung von (kulturellen, formellen und informellen) Bildungsprozessen unterstützt das DKBM dabei, alle Bürger:innen gemäß ihrer Persönlichkeit und ihren Fähigkeiten bestmöglich zu fördern. Dadurch und durch das Monitoring wird es möglich, die Bedarfe verschiedener Gruppen nicht nur sichtbar zu machen und (Bildungs-)Strategien übergreifend umzusetzen. Zugleich wird lebenslanges Lernen gefördert und die Gemeinschaft und der gesellschaftliche Zusammenhalt vor Ort nachhaltig gestärkt.

Insgesamt gesehen ist im Bereich (kultureller) Bildung ein ganzheitlicher Ansatz umzusetzen, der die Formulierung individualisierter Bildungs- und Lernziele für den formalen und non-formalen Bereich einschließt. Hierbei ist neben der Ausbildung persönlicher Kompetenzen wie Kommunikations-, Ausdrucks- und Aushandlungsfähigkeit die grundlegende Fähigkeit, mit Veränderungen umgehen zu können, von zentraler Bedeutung. Wie alle anderen Bildungsprozesse findet kulturelle Bildung zwar auch, aber nicht alleine in institutionalisierten Bildungssettings (wie z.B. in der Schule im Rahmen der Fächer Kunst und Musik, in Kunst- und Musikschulen und in (Kinder-)Museen etc.) statt. Auch mit Blick auf kulturelle Bildungsprozesse kann davon ausgegangen werden, dass sich kulturelle Bildung auch außerhalb der dafür vorgesehen Institutionen vollzieht und Individuen wesentlich in informellen Bildungsprozessen lernen. Zwischen den formell und informell kulturell bildenden Institutionen können noch stärker Synergien geschaffen werden, etwa in Formen der Zusammenarbeit zwischen Schulen und außerschulischen kulturellen (Bildungs-)Einrichtungen (vgl. Ermert 2009). So kann kulturelle Bildung nachhaltiger in kommunalen Bildungslandschaften verankert werden. Soll durch die Entwicklung eines gemeinschaftlichen kulturellen Verständnisses der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt werden, dann gilt es, diese Angebote allen, insbesondere auch benachteiligten Menschen, zugänglich zu machen (vgl. Kulturelle Bildung – BMBF).

2. Herausforderungen bei der Förderung und Gestaltung kultureller Bildung

Der Bildungsbereich erreicht nicht nur viele, sondern ist selbst durch Vielfalt und Heterogenität geprägt. Eine Vielzahl von Akteur:innen bedeutet für Kommunen zwar Gestaltungs- und Steuerungsherausforderungen (!), aber zudem die Möglichkeit, eine innovative Lernwelt und Bildungslandschaft zu schaffen und zu befördern. Transparenz über Akteur:innen, Angebote und Bedarfe sind grundlegende Vorbereitungen zur Analyse der Situation. Das DKBM unterstützt durch seine Möglichkeiten der Steuerung, denn es gilt nicht nur die formalen, sondern auch die non-formalen und informellen Bildungsbereiche miteinander in den Austausch zu bringen. Gestaltet werden kann dies durch den Ausbau und die Nutzung der Vernetzungsstrukturen des DKBM, um die verschiedenen Bildungsbereiche miteinander zu verzahnen. Strukturierend auf die Prozesse wirken gut formulierte strategische Ziele, die sowohl bei der Integration wichtiger Bildungs- und Kooperationspartner:innen unterstützen, als auch bei der Ableitung effektiver und wirksamer Maßnahmen. Um Kommunen bei dieser wichtiger werdenden Aufgabe zu unterstützen, wurde im Rahmen des neuen ESF Plus-Programms „Bildungskommunen“ der Bereich der „Kulturellen Bildung“ als ein möglicher thematischer Schwerpunkt aufgenommen. Durch das Programm unterstützt das BMBF Landkreise und kreisfreie Städte bei der Weiterentwicklung ihrer Bildungslandschaft, eine Bewerbung ist noch bis Juni 2023 möglich.  

Fazit: So kann ein DKBM unterstützen

Kommunen können durch kulturelle Bildung dazu beitragen, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt innerhalb der Kommune gefördert und gestärkt wird. Durch die Möglichkeiten der Steuerung und zugleich Vernetzung verschiedener Bildungsbereiche unterstützt ein DKBM dabei, formell und informell kulturbildende Institutionen in einer Kommune zu verzahnen und so kulturelle Bildung kommunal zu etablieren. Im Bestfall leistet kulturelle Bildung einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung von Bildungsgerechtigkeit und gesellschaftlicher Teilhabe. Dabei sorgt das DKBM dafür, dass alle Bürger:innen in ihrer Persönlichkeit und in ihren Fähigkeiten bestmöglich gefördert werden – und schafft so eine wichtige Voraussetzung, um die Teilhabe am öffentlichen Leben und ein friedlicheres Miteinander zu erleichtern. Lebenslanges Lernen für alle fördert das Individuum und stärkt die Gemeinschaft vor Ort nachhaltig.

Autorin: Dr. Svetlana Kiel, Transfermanagement, Transferagentur Niedersachsen