Newsletter TRANSFERkompakt Dezember 2022

Interview: Wie Kommunen digitale Teilhabe gestalten können.

Vielfältige Aufgaben, verschiedene Kompetenzen, große Dynamik – die Digitalisierung stellt Kommunen nicht erst seit Beginn der Corona-Pandemie vor Herausforderungen. Einen Lösungsansatz bietet der Auf- und Ausbau eines datenbasierten kommunalen Bildungsmanagements (DKBM) mit Unterstützung der Transferagentur Niedersachsen. Neben persönlicher Beratung, Informationsmaterialien und Praxisbeispielen setzen wir dabei auch auf interkommunale Vernetzung: Anfang Oktober haben sich die Spitzen niedersächsischer Landkreise und kreisfreier Städte bei unserem 4. Strategieforum zum Thema Digitalisierung ausgetauscht. Mit dabei war Stefan Muhle, zum Zeitpunkt der Veranstaltung Staatssekretär im Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung. Wir haben die Gelegenheit genutzt und mit ihm über digitale Teilhabe, den Gestaltungsspielraum für Kommunen und bestehende Unterstützungsmöglichkeiten gesprochen.

Herr Staatssekretär a.D., Sie haben als Impulsgeber beim vierten Strategieforum der Transferagentur Niedersachsen zum Thema Digitalisierung mitgewirkt. Welchen Mehrwert sehen Sie in einem solchen Austauschformat für kommunale Spitzen in Niedersachsen?
Stefan Muhle (SM):
Beim Strategieforum mit meinen Schwerpunkten und Auffassungen zur Weiterentwicklung der Digitalisierung in Niedersachsen beizutragen, war Aufgabe, Selbstverständnis und auch Freude für mich. Denn in jedem politischen Themenkomplex ist es eine Bringschuld der Akteur:innen, ihre Materie und ihre Sichtweise offen zu kommunizieren. Das ist manchmal aufwändig, aber genau so funktioniert es in einer Demokratie, ein Thema voranzutreiben. Und bei relativ jungen Themen wie der Digitalisierung gilt dieser Aspekt besonders. Die bunte Liste der Fragen und die in meinen Augen sehr positive Resonanz der kommunalen Familie zu diesem Format freut mich daher sehr. Ich bin sicher, der Austausch hat den weiteren Verlauf bestärkt – mit Vernetzung, Best Practice und einer gemeinsamen Priorität für Digitalisierung. Die Kommunen haben alle ein hohes Interesse an Digitalisierung und ein noch höheres an guter Bildung. Übrigens, nicht immer hat man Publikum und Gesprächspartner:innen wie bei der Transferagentur, die sich mit so bemerkenswertem Interesse und Vorwissen an diesem Austausch beteiligen – danke dafür!

Welchen Gestaltungsspielraum zur Förderung der digitalen Teilhabe sehen Sie auf kommunaler Ebene? Und wie können wiederum die Kommunen dabei unterstützt werden?
SM:
Mir persönlich ist digitale Teilhabe – speziell aller acht Millionen Niedersächsinnen und Niedersachsen – ein sehr wichtiges Bedürfnis, von jung bis alt und unabhängig von dem eigenen technologischen Interesse. Auf dem Weg zu dieser Teilhabe haben meines Erachtens auch staatliche Institutionen die Aufgabe, ihren Teil der Abmachung „Bürger-Staat“ zu erfüllen. Zum Beispiel, indem der Ausbau digitaler Infrastruktur auf einen zeitgemäßen Stand gebracht wird. Der erfolgreiche Ausbau der letzten Jahre ist sicherlich auf den engen Schulterschluss des Digitalministeriums mit der kommunalen Ebene zurückzuführen. Aber auch die Weiterentwicklung von digitalen Möglichkeiten und Angeboten in der Gesellschaft findet ja auf kommunaler Ebene statt. Unsere erfolgreichen Programme „Digitalbonus für Vereine“, „Digital Campus“ oder „DigitalSTARTer“ haben eben diese Digitalisierung der Gesellschaft im Fokus. Auch die kommunale Ebene selbst hat zahlreiche Anknüpfungspunkte, um die digitale Teilhabe zu stärken. Zum Beispiel, indem durch die Digitalisierung der Verwaltung der Umgang der Bürgerinnen und Bürger mit Verwaltung leichter und schneller gemacht wird. Oder, indem sie in Entscheidungen und Abläufe eingebunden werden. Die Stadt Hildesheim beabsichtigt beispielsweise, Bürgerinnen und Bürgern die konkrete Möglichkeit zu geben, an digitalen Plattformen über die Nutzung der Software Low-Code mitzuwirken. Diese Liste ließe sich noch weiter fortführen, aber auch die Kommunen selbst können unterstützt werden. Von Land und Bund über Förderprogramme wie dem Programm für „Smart Cities“ oder dem „Ausbau von WLAN“. Oder durch Kooperationen zwischen Kommunen und Vernetzung mit Expert:innen und Multiplikator:innen. Hier sehe ich eine wichtige Rolle des Landes Niedersachsen mit seinen starken Netzwerken und der Digitalagentur Niedersachsen als zentralem Dreh- und Angelpunkt.

Zur Person

Name: Stefan Muhle
Tätigkeitsbeschreibung: Staatssekretär im Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung a.D.
Tätigkeitszeitraum: Jan. 2018 bis Nov. 2022

> Nds. Ministerium für Wirtschaft, Bauen, Verkehr und Digitalisierung
 

Welche Funktion nimmt der Digital Campus Niedersachsen für niedersächsische Kommunen ein?
SM:
Das Konzept des Digital Campus klingt zunächst nach Universität und damit vielleicht „verkopft“, beinhaltet aber ein sehr einfach zugängliches und niedrigschwelliges Angebot zur Weiterbildung für Themen der Digitalisierung. Und dies spielt wieder auf meine Zielgruppe der „acht Millionen Niedersachsen“ an. Denn diese können ihre digitale Teilhabe selbst in die Hand nehmen und beispielsweise über die Volkshochschulen ein umfangreiches Weiterbildungsangebot zur Digitalisierung nutzen. Es ist wichtig, dass dort alle Menschen, unabhängig vom Alter und von den Interessen, die Möglichkeit haben, sich zu Digitalisierung zu informieren und dass dafür auf kommunaler Ebene geworben wird. Der thematische Rahmen erstreckt sich von allgemeiner Sensibilisierung, zum Beispiel in den Themen Datenschutz und IT-Sicherheit, über die Steigerung der digitalen Affinität im Alltag bis hin zur Entwicklung aktiver Beiträge zum digitalen Leben und Arbeiten. Auf einer webbasierten Plattform werden zudem verschiedene Kompetenzen unterschiedlicher Bildungsträger gebündelt und um interaktive Elemente ergänzt. Insgesamt leisten wir mit dem Digital Campus einen wichtigen Beitrag zur Erwachsenenbildung in der Digitalisierung und damit ein Stück weit zur Entgegnung des Fachkräftemangels in diesem Bereich, der auch die Kommunen an zahlreichen Stellen vor große Herausforderungen stellt. Ich bin mir sicher, dass die verschiedenen Maßnahmen des Digital Campus dazu beitragen, dass Niedersachsen und seine Kommunen in eine gute digitale Zukunft blicken können.

Mit einem datenbasierten kommunalen Bildungsmanagement (DKBM) werden Strukturen aufgebaut, um die kommunale Bildungslandschaft aktiv zu gestalten. Wie können diese bei der Implementierung der Digitalisierung unterstützen?
SM:
Das Etablieren eines datenbasierten kommunalen Bildungsmanagements an sich stellt ja bereits den sinnvollen ersten Schritt der Digitalisierung eines zentralen Rahmenprozesses dar. Auf dieser Basis und auf gut strukturierte Konzepte des Datenmanagements können sämtliche Einzelprozesse und Dienstleistungen eines Bildungsmanagements effizient und schlank aufgesetzt werden. Und dieses Projekt ist nicht nur „analog gegen digital“, sondern anhand der vorliegenden Daten können gänzlich neue Erkenntnisse, beispielsweise über Bedarfe an Bildungsangeboten, über Verbesserungspotenziale und über gut funktionierende Angebote, gewonnen werden. Auf diese Weise wird ein System etabliert, das für Bürger:innen und Mitarbeiter:innen eine Reihe neuer Möglichkeiten bereithält. Also: digitaler, effizienter, schneller und am Ende auch hochwertiger in der eigentlichen Bildung.

Herr Staatssekretär a.D. Muhle, wir bedanken uns herzlich für das Interview!

WEITERE INFORMATIONEN:

> Übersicht über das Thema Digitalisierung beim Nds. Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung
> Fördernavigator der Digitalagentur Niedersachsen
> Digital Campus Niedersachsen mit Lernbibliothek, Erlebniswelt etc.

Auch die Transferagentur Niedersachsen unterstützt Kommunen bei der Digitalisierung: Auf Basis des DKBM analysieren wir die Bedarfe zur Förderung der digitalen Kompetenz und zur Gestaltung einer vernetzten Bildungslandschaft. Darauf aufbauend wird gemeinsam eine digitale Gesamtstrategie entwickelt. So können ausgewählte Maßnahmen und Investitionen in digitale Infrastruktur und Bildungsangebote punktgenau geplant werden. Eine weitere Fördermöglichkeit bietet das aktuelle Programm Bildungskommunen des BMBF, das die Etablierung analog-digital vernetzter Bildungslandschaften in den Blick nimmt.

> Übersichtsseite zum Förderprogramm Bildungskommunen
> Digitalisierung als Handlungsfeld im DKBM
> Fachartikel: Analog-digital vernetzte Bildungslandschaften
> Weitere Informationen zum Thema Digitalisierung in unserem THEMENfinder