Newsletter TRANSFERkompakt Juni 2022

Thema: Auf dem richtigen Kurs bleiben – vom Leitbild zur Umsetzung.

Nehmen wir einmal an, der erste Schritt ist geschafft: In einem partizipativen Prozess haben Sie gemeinsam mit Bildungsakteur:innen und Bürger:innen ein Leitbild erstellt. Es ist prägnant formuliert, passgenau auf die kommunale Situation vor Ort ausgerichtet und es zeichnet ein positives Bild der Zukunft. Nur – wie wird dieses Leitbild in der Praxis sichtbar? Um ein Leitbild und die darin enthaltenen Ziele steuerungswirksam in einer Strategie umzusetzen, kann es im Rahmen des datenbasierten kommunalen Bildungsmanagements (DKBM) in konkrete Maßnahmen „übersetzt“ werden. Das Leitbild beantwortet dabei die Frage „Wohin soll sich die Bildungslandschaft einer Kommune entwickeln?“, während die Strategie eine Antwort findet auf die Frage „Wie kommen wir dahin?“. Wie Sie in Ihrer Kommune den Prozess vom Leitbild zur Strategie umsetzen können, verdeutlicht dieser Artikel anhand kommunaler Praxisbeispiele sowie einer „Wie praktisch“-Checkliste mit Tipps und Anregungen für die Entwicklung eigener Lösungsansätze.

Der richtige Weg zum Ziel: Wie unterscheiden sich Leitbild und Strategie?

Stellen Sie sich vor, Sie sind Kapitän eines Schiffes und wissen genau, wo Sie hinfahren wollen. Mit der Karte navigieren Sie zu Ihrem Ziel, korrigieren Ihren Kurs aber immer wieder aufgrund der Wind- und Wetterverhältnisse. Auch Ihre Crew arbeitet Hand in Hand mit Ihnen zusammen, jede:r an Board hat seine Aufgabe, sie ziehen „an einem Strang“.

Diese maritime Metapher beschreibt das Verhältnis zwischen Leitbild, Strategie und Maßnahmen: Das Leitbild ist Ihr Ziel am Horizont, aber ohne einen Plan – eine Strategie – können Sie nicht dort hingelangen. Die Crew bzw. die Bildungsakteur:innen arbeiten in ihren einzelnen Arbeitspaketen und Maßnahmen daran, das Ziel zu erreichen.

Leinen los und Segel setzen: Wie kann eine Strategie erstellt werden?

Um das Leitbild in eine Strategie umzusetzen, verlassen Sie die visionäre Ebene und leiten spezifische Ziele aus dem Leitbild ab, die sie anschließend in Maßnahmen umsetzen. Idealtypisch kann ein Prozess vom Leitbild zur Umsetzung in Ziele und Maßnahmen anhand des Steuerungskreislaufes folgendermaßen aussehen:

  1. Handlungsfelder/Themenschwerpunkte identifizieren und Ziele ableiten
  2. Ziele formulieren und operationalisieren
  3. Zuständigkeiten und Ressourcen klären und Strukturen schaffen

Bei allen Schritten sollten Sie die jeweiligen Schlüsselakteure miteinbeziehen. Die relevanten Akteur:innen können mithilfe einer Stakeholderanalyse identifiziert werden.


1. Handlungsfelder/Themenschwerpunkte identifizieren und Ziele ableiten

Handlungsfelder sind thematische Ordnungskategorien, denen sich bestimmte Ziele und Maßnahmen zuordnen lassen. Ziele können auch mehreren Handlungsfeldern zugeordnet werden oder sogar allen (sogenannte Querschnittsziele wie z.B. Gleichstellung der Geschlechter und Antidiskriminierung als bereichsübergreifende Grundsätze des aktuellen Förderprogrammes „Bildungskommunen“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung). Themenschwerpunkte können sich aus der Analyse der Ausgangslage der Kommune ableiten und/oder sind Themen, die die Kommune aktuell als besonders wichtig erachtet. Ebenso geben Förderprogramme wie die Bildungskommunen bestimmte Ziele und Themenschwerpunkte vor.

Um eine Ausgangsanalyse zum gegenwärtigen Status in der Kommune durchzuführen, bietet sich eine Stärken-Schwächen-Analyse, genannt SWOT-Analyse, an. SWOT steht für Strength, Weaknesses, Opportunities und Threats (Stärken, Schwächen, Möglichkeiten, Bedrohungen). Die Analyse kann für die gesamte kommunale Bildungslandschaft durchgeführt werden oder – falls bereits Handlungsfelder/Themenschwerpunkte identifiziert wurden – für die jeweiligen Handlungsfelder. Aus den ermittelten Stärken und Schwächen werden im nächsten Schritt Ziele abgeleitet. Diese Vorgehensweise hilft sicherzustellen, dass die Ziele passgenau auf die Bedarfe vor Ort zugeschnitten sind.

Angepasst an einen Themenschwerpunkt kann eine SWOT-Analyse (hier am Beispiel „Kulturelle Bildung“ verdeutlicht) folgendermaßen aussehen:

  1. Welche Stärken gibt es im Bereich Kultureller Bildung? Welche Erfolge und positiven Entwicklungen gab es in der Vergangenheit/gibt es aktuell?
  2. Welche Schwächen gibt es im Bereich kultureller Bildung? Was hat einer positiven Entwicklung im Weg gestanden? Welche Faktoren sind einer positiven Entwicklung nicht zuträglich?
  3. Welche Chancen gibt es in der Zukunft und wie können sie eine zukünftige Entwicklung unterstützen?
    = positive aktuelle oder zukünftige Ereignisse, „äußere Umstände“, Entwicklungen und Einflussfaktoren, die genutzt, jedoch kaum beeinflusst werden
  4. Welche Risiken bestehen aktuell und in Zukunft?
    = negative aktuelle oder zukünftige Ereignisse, „äußere Umstände“, Entwicklungen und Einflussfaktoren, die kaum beeinflusst werden können, aber einen negativen Effekt haben
  5. Welche Ziele für die kulturelle Bildung in unserer Kommune lassen sich aus der Ausgangsanalyse ableiten?

2. Ziele formulieren und operationalisieren

Zur Formulierung der Ziele im nächsten Schritt, ist die SMART-Methode ein hilfreiches Instrument, um Ziele konkret, messbar und realistisch zu formulieren und anschließend auch einzuhalten.

  • S – Spezifisch: Die Ziele benennen den Punkt, an dem die Maßnahmen ansetzen.
  • M – Messbar: Quantitative Daten (z.B. aus dem Bildungsmonitoring, wenn vorhanden) werden genutzt, um den Zielerreichungsgrad zu messen, zu überprüfen sowie ggf. Maßnahmen anzupassen.
  • A – Akzeptiert / Attraktiv: Die Ziele sollten mit den Bildungsakteur:innen in der Region und den wichtigen strategischen Akteur:innen aus Verwaltung und Politik erstellt und von ihnen akzeptiert werden.
  • R – Realistisch: Die Ziele sind in einem kurz- oder mittelfristigen Zeitraum erreichbar.
  • T – Terminiert: Eine zeitliche Einschätzung zur Zielerreichung erfolgt.

Eine Erweiterung der SMART-Methode ist SMART Plus:

  • P – Priorität: Grad an Wichtigkeit und Dringlichkeit
  • L – Leitregeln: Wer muss wann und wie informiert, um Rat gefragt werden? Wie soll kooperiert werden?
  • U – Umfang: Wie viel Zeit, Geld und Ressourcen sollen für die Aufgabe eingesetzt werden?
  • S – Sinn: Wofür ist das wichtig? Was steckt dahinter? Welchen Sinn hat das Ganze? Welche höheren Ziele, Strategien, Erfolgsfaktoren stehen damit im Zusammenhang?

Um die formulierten Ziele anschließend datenbasiert umzusetzen, werden in einem nächsten Schritt Indikatoren und Kennzahlen entwickelt. Diese können mittels eines Datenerhebungsplans erstellt werden.

3. Zuständigkeiten und Ressourcen klären und Strukturen schaffen

Bereits während der Ableitung, Formulierung und Operationalisierung der Ziele, sollte im Blick behalten werden, wer für die Umsetzung zuständig ist und welche Ressourcen ggf. notwendig sind. Das R für „Realistisch“ bei der SMART-Methode weist bereits darauf hin, dass die zur Verfügung stehenden Ressourcen unbedingt zu berücksichtigen sind, damit keine unerfüllbaren Ziele und Maßnahmen erarbeitet werden. 

Um Ziele auf ihre Realisierbarkeit zu überprüfen, eignet sich die Walt-Disney-Methode (als Erweiterung auch die „Six Thinking Hats“ von Edward de Bono). Im Kern geht es darum, eine Idee oder ein Ziel durch verschiedene „Brillen“ zu betrachten: enthusiastisch, pragmatisch und konstruktiv-kritisch. Wenn Sie – wie am Anfang empfohlen – die wichtigsten Akteur:innen in Ihren Prozess von Anfang an miteinbeziehen, werden diese Personen in der Regel bereits diese Rollen einnehmen und mitteilen, in wie weit eine Maßnahme für sie umsetzbar ist.

Das Ziel erreicht: Wie geht es weiter?

Kommen wir zurück zum maritimen Kontext: Sie haben erfolgreich mit Ihrer Crew das Schiff zum Ziel navigiert und sind angekommen. An ihrem Zielort lassen Sie die Reise Revue passieren: Was lief gut? Haben Sie Ihr Ziel in der geplanten Zeit erreicht? Mussten Sie den Kurs korrigieren? Was ist für die nächste Reise optimierbar?

Ins DKBM übersetzt: Sie evaluieren die Maßnahmen und passen diese möglicherweise an. Mittelfristig ist es sinnvoll, die Ziele zu überprüfen und langfristig die Vision, da sich die kommunalen Ausgangsbedingungen ändern. Dann treten Sie erneut die Reise an zu einer kommunalen Bildungslandschaft, die allen Bürger:innen passgenaue Bildungsangebote im gesamten Lebensverlauf bietet.  

Kommunale Beispiele aus der Praxis

Im Landkreis Stade hat 2013 die Steuerungsgruppe „Lernen vor Ort“ eine Bildungsstrategie für die Entwicklung der Bildungsregion erarbeitet. Im Rahmen der Bildungskonferenz 2014 entwickelten Bildungsakteur:innen Projektideen für die Umsetzung der Bildungsstrategie, die das Arbeitsprogramm der nächsten Jahren bildeten.  Das Ziel der Bildungsstrategie – die Vision – ist, dass der Landkreis Stade bis zum Jahr 2025 ein in der Metropolregion herausragender Bildungsstandort ist, der attraktiv ist für Menschen und Unternehmen. Dieser Vision folgen Leitgedanken und Leitziele. Aus allen Leitzielen ergeben sich die primären Handlungsfelder und Projekte für die kommenden Jahre. Jedes Projekt kann einem oder mehreren Handlungsfeldern zugeordnet werden. Gemeinsam dient diese Strategie der Zielerreichung.

Im Rahmen der Begleitung durch die Transferagentur Niedersachen entschied sich das Bildungsbüro die Bildungsstrategie schwerpunktmäßig im Handlungsfeld „Fachkräftesicherung“ zu bearbeiten und umzusetzen.

Das Handlungsfeld enthält drei Teilziele: (a) Transparenz erzeugen (b) Kooperationen zwischen den Zielen aufbauen und erhalten sowie (c) gemeinsame Projekte mit den Bildungsakteur:innen initiieren und durchführen. Für diese Teilziele wurden jeweils mithilfe der SMART-Methode umsetzbare Ziele ausformuliert und anschließend mit einem Datenerhebungsplan in Indikatoren und Kennzahlen übersetzt. Diese Verfahren wurde ebenfalls in dem Projekt „Jugend macht MINT“ angewandt. Bereits zu Beginn des Projektes wurden die Indikatoren und Kennzahlen für die jeweiligen Projektbereiche festgelegt, die den Grad der Zielerreichung aufzeigen. Zu den jeweils vorher festgelegten Zeitpunkten werden die Daten überprüft und ausgewertet, so dass die Qualität des Projektes kontinuierlich überprüft wird und Maßnahmen ggf. angepasst werden können.

> Landkreis Stade (2014): Zweiter Bildungsbericht für den Landkreis Stade 2014. Mit unserer Bildungsstrategie in die Zukunft.

Der Landkreis verfügt über eine Kreisentwicklungsstrategie, um den neu gegründeten Landkreis zukunftssicher aufzustellen. 2011 wurden Bewohner:innen, Expert:innen und kommunale Vertreter:innen befragt, um a) die Bündelung vorhandener Konzepte, Pläne, Vorgaben vorzunehmen, b) die Schwächen und Chancen zu identifizieren sowie c) die Maßnahmen abzuleiten, die zur angestrebten Entwicklung führen. Aus der Befragung wurden verschiedene strategische Schwerpunkte abgeleitet.

Alle weiteren Strategien und Maßnahmen leiten sich aus diesen strategischen Schwerpunkten ab, so auch die Bildungsstrategie.

Die Bildungsstrategie des Landkreises besteht aus 33 Handlungsempfehlungen in acht Bereichen. Der erste Bereich beinhaltet bildungsbereichsübergreifende Handlungsempfehlungen für die Zielgruppe Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die sich nicht einzelnen Phasen des lebenslangen Lernens zuordnen lassen. Zunächst wird jeweils ein Ergebnisziel formuliert und anschließend werden die Maßnahmen aufgezählt, die dieses Ziel unterstützen, sowie die verantwortliche strategische und operative Umsetzung (Landkreis Görlitz 2014, S. 15). Die weiteren Handlungsempfehlungen orientieren sich an den Phasen, die im Laufe der Bildungsbiografie von Bürger:innen durchlaufen werden. Auf Ebene des Ziels steht jeweils eine Spalte mit dem Bezug zum Bildungsbericht, aus dem die Maßnahmen abgeleitet werden, sowie der Bezug zur Landkreisstrategie. Danach folgen die Maßnahmen sowie strategische Steuerung und operative Umsetzung.

> Landkreis Görlitz (2014): Handlungsempfehlungen für die Bildungsentwicklung im Landkreis Görlitz

Neben den hier genannten kommunalen Beispielen, finden Sie auch in unserer Reihe „Aus der Praxis“ zahlreiche Anregungen für die Entwicklung eigener Ideen. Zu nennen sind hier „Das Zusammenspiel von Leitbild und Steuerungskreislauf im Landkreis Nienburg/Weser“ oder die „Weiterentwicklung einer Bildungsstrategie“ der Stadt Osnabrück. Auch unser Interview zum Bildungsleitbild im Landkreis Heidekreis bietet hilfreiche Impulse für die strategische Umsetzung von Bildungszielen. 

Autorin: Melora Felsch, Transfermanagement, Transferagentur Niedersachsen