Newsletter TRANSFERkompakt April 2023

Thema: Die Bildungsregion - Netzwerkaufbau und -unterhaltung als Gelingensfaktoren.

Seit ihrem Start im Jahr 2010 sind mittlerweile beinahe flächendeckend Bildungsregionen in niedersächsischen Kommunen eingerichtet. Das Konzept, durch die Schaffung einer „staatlich-kommunalen Verantwortungsgemeinschaft“ die Bildungslandschaft vor Ort strukturiert zu koordinieren und die Angebote aufeinander abzustimmen, hat sich bewährt. Doch was genau trägt zum Gelingen einer erfolgreichen Bildungsregion bei? Hierzu hat die Transferagentur Niedersachsen eine Studie durchgeführt, die interessante Einblicke gibt.    

Woher kommt die Bildungsregion?

Ausgangspunkt für die Installation der heutigen Bildungsregionen sind die Erkenntnisse aus dem vorgelagerten Pilotprojekt „Erweiterte Eigenverantwortung in Schulen und Qualitätsvergleich in Bildungsregionen“. In den Jahren 2005 bis 2010 erprobten 13 niedersächsische Kommunen [1], ob die Umsetzung einer strukturierten regionalen und überregionalen Vernetzung eine nachhaltige positive Einflussnahme auf die Schulqualität ermöglicht. Wesentliches Ergebnis dieser Pilotphase war die Verifizierung folgender Annahme: Durch die regionale Vernetzung relevanter Bildungsakteurinnen und durch die erweiterte Eigenverantwortlichkeit in den Schulen im Sinne einer lernenden Organisation konnte die Qualität der Schulen nachweislich verbessert werden. Diese Erkenntnisse wurden in der Konzeption des aktuellen Unterstützungsformats der Bildungsregionen aufgegriffen und um den Ansatz des lebenslangen Lernens erweitert – mit dem Anspruch, durch ein abgestimmtes Bildungsangebot möglichst vielen Menschen eine erfolgreiche Bildungsbiografie zu ermöglichen. So fördert das Niedersächsische Kultusministerium seit dem Schuljahr 2010/2011 die Etablierung von Bildungsregionen und unterstützt die Kommunen durch die Abordnung einer Lehrkraft, die vor Ort die Aufgabe der Bildungskoordination übernimmt (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2015).

Die praktische Ausgestaltung einer Bildungsregion

Auch wenn das Rahmenkonzept des Niedersächsischen Kultusministeriums bereits einige wichtige Hinweise bereithält, stellt die praktische Ausgestaltung einer Bildungsregion alle beteiligten Akteur:innen gleichermaßen vor gewisse Herausforderungen – sowohl die Mitarbeitenden in den entstehenden Bildungsbüros als auch deren Vorgesetzte in der kommunalen Verwaltung und die von Landesseite aus eingebundenen Personen in Ministerium und Landesschulbehörde.

Zu Beginn ergibt sich eine Vielzahl an Fragestellungen:

  • Wie soll eine erfolgreiche Bildungsregion aufgebaut sein? Wie ist sie effektiv und zielgerichtet organisiert?
  • Mit welchen Fragestellungen und Themen beschäftigen sich die anderen Bildungsregionen?
  • Wie sind Vernetzungsstrukturen aufgebaut und wer übernimmt welche Aufgabe?
  • Wie werden alle Bildungsakteur:innen eingebunden und welche sind relevant? Und wie werden die positiven Synergien für die Bildungslandschaft vor Ort, die sich Land und Kommune von der koordinierten Netzwerkarbeit versprechen, nachgewiesen oder gemessen?

Die Studie bietet einen Einblick in die Beantwortung der Fragestellungen. Sie liefert einen Überblick über die bestehenden Vernetzungs- und Steuerungsstrukturen in den Bildungsregionen und zeigt auf, an welchen Stellen Unterschiede in der Organisationsform bestehen und wo sich einheitliche Konzepte und Strukturen abzeichnen. Ebenso wird deutlich, welche Themen kurz- und mittelfristig diskutiert werden. So können die Ergebnisse der Studie als Diskussionsgrundlage für die Reflexion der eigenen Strukturen dienen und zur möglichen Optimierung anregen.

  • Online-Befragung (in Abstimmung mit dem Niedersächsischen Kultusministerium)
  • Zielgruppe: teilnehmende Kommunen am Programm der Bildungsregion
  • Anschreiben an die Landräte und Landrätinnen
  • Anschreiben mit dem Link zur Online-Befragung an die Leitungen des Bildungsbüros

28.04.2016 – 27.05.2016

  • Rücklaufquote: 50%
  • 16 von 32 Bildungsregionen (Stand Mai 2016)
  • Wie sehen die Strukturen zur Steuerung der Bildungsregionen aus?
  • Mit wem bestehen Kooperationen? Mit wem werden welche thematischen Schwerpunkte bearbeitet? Welche Projekte und Maßnahmen gehen auf die Initiative der Bildungsregion zurück?
  • Worin bestanden zu Beginn besondere Herausforderungen? Und was ist noch zu tun?

Strukturen zur Steuerung der Bildungsregionen

Geschäftsstelle: Zur Koordinierung und Steuerung einer Bildungsregion bedarf es einer regionalen Geschäftsstelle und eines koordinierenden strategischen Gremiums. Die Geschäftsstelle ist in der Regel mit drei bis vier Personen besetzt, beinahe überall durch eine abgeordnete Lehrkraft und weitere kommunale Mitarbeiter:innen.

Strategisch-koordinierendes Gremium: Der Teilnehmerkreis des strategisch-koordinierenden Gremiums umfasst zumeist Vertreter:innen unterschiedlicher Organisationen und Akteursgruppen und variiert zwischen minimal vier und maximal 22 Mitwirkenden. Dabei sind Vertreter:innen aus folgendem Hintergrund wichtig, von denen im Durchschnitt fünf eingebunden sind: 

  • Kommunalverwaltung (Landkreis oder kreisfreie Stadt) und angehörige Gemeinden bzw. Bezirke und kommunaler Unternehmen
  • Niedersächsische Landesschulbehörde
  • Politik
  • Formale und non-formale Bildungseinrichtungen
  • Wohlfahrtsverbände und Zivilgesellschaft
  • Wirtschaftsverbände oder Unternehmen
  • Agentur für Arbeit
  • Interessensvertretungen (Elternrat, Schülerrat)

Kooperationen und Themen

Die strukturierte Zusammenarbeit ist durch eine Vielzahl an internen und externen Vernetzungsstrukturen gesichert. Neben dem Schul-, Jugend-, Gesundheits- und Sozialamt sind im verwaltungsinternen Bereich auch das Jobcenter, das Amt für Wirtschaftsförderung und die Stelle Migration und Teilhabe oder die/der Integrationsbeauftragte zu nennen. Intensive externe Kooperationen bestehen mit der Landesschulbehörde, der Agentur für Arbeit, den Kammern, Volkshochschulen und Schulen, die auch zumeist zum Teilnehmerkreis des strategisch-koordinierenden Gremiums gehören. Es werden zahlreiche weitere Vernetzungen im externen Bereich (so mit Vertretungen aus Zivilgesellschaft, formalen und non-formalen Bildungseinrichtungen sowie aus Wirtschaft, Verbandswesen und aus Förderprojekten) genannt. Diese direkte Einbindung der wesentlichen Akteursgruppen in die Steuerungsprozesse erhöht die Bereitschaft zur Partizipation und aktiven Mitgestaltung der Bildungslandschaft. Auf aktuelle Herausforderungen und sich verändernde Bedarfe kann das strategisch-koordinierende Gremium mit der Einbindung weiterer Akteur:innen flexibel und vor allem zeitnah reagieren.

Als zentrale und weiterhin aktuelle Themenfelder der Arbeit der Bildungsregionen werden schulische Bildung, berufliche Aus- und Weiterbildung, Berufsorientierung und Integration deutlich. Gerade am Themenfeld der Integration zeigt sich aufgrund der aktuellen Flüchtlingsthematik sehr deutlich, dass die im Rahmen der Tätigkeit der Bildungsregion aufgebauten Strukturen in Krisenzeiten genutzt werden, um neuen Anforderungen schnell und erfolgreich zu begegnen.

Herausforderungen und Entwicklungspotenzial

Zu Beginn der Tätigkeit steht eine Bildungsregion vor vielfältigen Herausforderungen. Diese lassen sich in zwei Bereiche unterteilen: Zum einen bestehen Herausforderungen organisatorischer Art, nämlich im Hinblick auf die personelle Besetzung, die Einbindung des Bildungsbüros in die Verwaltungsstruktur und den Aufbau notwendiger Formate zum Schnittstellenmanagement. Daneben steht die Bildungsregion vor der großen Herausforderung, ein gemeinsames Verständnis von Tätigkeiten und Aufgaben zu entwickeln und darüber hinaus Akzeptanz und Kooperationsbereitschaft bei weiteren Akteur:innen zu schaffen. Überaus hilfreich ist dabei die Platzierung der Bildungsarbeit in der Öffentlichkeit. Ziel ist dabei nicht nur, die unterschiedlichen Akteur:innen zu beteiligen, sondern ebenso die Schaffung einer neuen Transparenz für alle Beteiligten. So kann ein gemeinsames Verständnis vermittelt und weiterentwickelt werden.

Gremien aufbauen und etablieren

Unabdingbar ist die Umsetzung von Gremien, die vernetzend und auch steuernd wirken. Hierbei verfolgen die Netzwerke das Ziel, Transparenz herzustellen, Abstimmungen zu ermöglichen, Kooperationen aufzubauen und Themenfelder und Projekte zu koordinieren. Nach der Einrichtung der Vernetzungsstrukturen geht es vor allem darum, diese zu erhalten. Auch wenn die aktive Gestaltung der Beziehungen zwischen den Beteiligten oftmals als aufwändig empfunden wird, lohnt sich die Investition.

Die folgenden Faktoren haben sich für den Start von Netzwerken, den Aufbau gelingender Strukturen und das Aufrechterhalten eines Netzwerkes über eine längere Zeit als erfolgsversprechend erwiesen (siehe hierzu auch die Ausführung in unserem Arbeitsmaterial „Wie praktisch“ zum Thema Netzwerkmanagement):

  • Berücksichtigung der lokalen Bedingungen und der bestehenden Vernetzungs-, Informations- und Austauschstrukturen
  • Entwicklung und Orientierung an einem träger- und institutionsübergreifenden Konsens
  • Unterstützung durch die Politik und Rückhalt durch die Verwaltungsorganisation
  • Hauptamtliche Netzwerkpflege
  • Zusammenarbeit aller Akteur:innen auf Augenhöhe

Fazit:

Bildungsregionen als gemeinsam wahrgenommene und aktiv gestaltete Verantwortung von Land und Kommunen zur Koordinierung der Bildungsarbeit vor Ort sind aus Niedersachsen nicht mehr weg zu denken. Entscheidend für den Erfolg wirken sich dabei die Qualität und Akzeptanz der aufgebauten Netzwerkstrukturen aus. Die besondere Herausforderung besteht darin, diese Strukturen mittel- und langfristig zu sichern – und zwar als aktive und lernende Netzwerke, die eine stabile Grundlage der Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteur:innen bieten und zugleich Impulse setzen für den Umgang mit neuen Herausforderungen. Die Transferagentur Niedersachsen hält auch an dieser Stelle ein breites Angebot zur Unterstützung vor. So wurden bereits 93 Prozent der DKBM-Kommunen in Niedersachsen durch uns bei der Netzwerkbildung begleitet (Transferagentur Niedersachsen 2022). Wir freuen uns, auf diesem Weg zum Erfolg beigetragen zu haben und unterstützen Sie auch gerne weiterhin.

Autorin: Dr. Svetlana Kiel, Transfermanagement, Transferagentur Niedersachsen

1 Landkreis Emsland, Landkreis Peine, Landkreis Friesland, Regionalverband Südniedersachsen, Stadt Braunschweig, Landkreis Osterholz, Landkreis Stade, Landkreis Verden, Landkreis Lüneburg, Stadt Oldenburg