Newsletter TRANSFERkompakt Dezember 2023

Thema: Neu im Bildungsbüro? Wissenswertes zum Thema kommunale Bildungslandschaft und DKBM.

Der Artikel gibt Einblicke in die Idee von regionalen bzw. kommunalen Bildungslandschaften, stellt die Grundprinzipien des Konzeptes eines „datenbasierten kommunalen Bildungsmanagements (DKBM)“ dar und zeichnet das durch viele Förderungen gekennzeichnete neue Berufsfeld für im Bildungsbereich tätige koordinierende und steuernde Fachkräfte in der Kommunalverwaltung nach. Das eigene Rollenverständnis zu entwickeln ist dabei oft eine der ersten großen Herausforderungen, der sie sich stellen müssen. Die Informationen des Artikels helfen Ihnen nicht nur in der Zusammenarbeit mit uns als Transferagentur, sondern bieten eine gute Grundlage zur Auseinandersetzung mit Ihren eigenen Aufgaben und Zielen.  

Die Historie kommunaler Bildungslandschaften

Bildungslandschaften sind als eine Reform der (kommunalen) Bildungspolitik und -verwaltung zu verstehen. Die Anfänge der Idee der Regionalisierung von Bildung stammen bereits aus der Mitte der 1980er Jahre, wo sich erziehungswissenschaftliche Diskurse zur Schulautonomie entwickelten, die dann in den 1990er Jahren von der NRW-Bildungskommission aufgegriffen wurden (vgl. Spies/Wischmann 2023). Mit dem PISA-Schock 2001, der nicht nur die unterdurchschnittlichen Leistungen der deutschen Schüler:innen feststellte, sondern auch die Abhängigkeit der Leistungen von sozialen Herkunftsfaktoren, wurde die Suche nach Lösungen zur besseren Organisation von Bildung groß. Das Konzept der regionalen oder auch lokalen Bildungslandschaft gewann anschließend durch weitere Diskurse Auffahrt, die sich insbesondere im 12. Kinder- und Jugendbericht lautstark zeigten. Plädiert wird für ein Zusammenspiel der unterschiedlichen Bildungsverantwortungen, insbesondere der Systeme der Kinder- und Jugendhilfe und der Schule, um bessere Bildungschancen und Teilhabe zu ermöglichen.
Aber nicht nur in erziehungswissenschaftlichen Diskursen, sondern auch im kommunalen Selbstverständnis erhielt die Idee von Bildungslandschaften Einzug. So forderte der Deutsche Städtetag mit der Aachener Erklärung anlässlich des Kongresses „Bildung in der Stadt“ im Jahr 2007 eine staatlich-kommunale Verantwortungsgemeinschaft und positionierte die Kommunen als bildungspolitische Akteur:innen. Hintergrund ist nicht zuletzt auch das Eigeninteresse der Städte und Kreise, die vor Ort die Konsequenzen schlechter Bildungspolitik spüren (fehlende Fachkräfte, hohe Sozialhilfeausgaben etc.).
Die kommunale Bildungslandschaft rückt immer mehr in den Fokus der Diskurse, die auch vom Bund und den Ländern wahrgenommen werden. Durch verschiedene Programme und Projekte werden daher Städte und Landkreise, die eine kommunale Bildungslandschaft auf- und ausbauen möchten, gefördert.

Dazu zählen unter anderem:

  • das Programm „Lernende Regionen – Förderung von Netzwerken“ vom BMBF (2001–2008)
  • das Folgeprogramm „Lernen vor Ort“ (2009–2014)
  • die anschließende „Transferinitiative“ (2015–2023) mit den Programmen „Bildung integriert“, „Kommunale Koordinierung für Bildungsangebote für Neuzugewanderte“ und den „Transferagenturen“
  • die Fortsetzung mit dem Programm „Bildungskommune“ (2022–2030) sowie
  • in Niedersachsen außerdem das Programm „Bildungsregion“ des MK (seit 2014).

Bei den Bemühungen um Bildungslandschaften steht die Förderung von Chancengerechtigkeit und das Gelingen individueller Bildungsbiografien im Vordergrund der Zielformulierungen. Aus Perspektive der Kommunen aber kommt noch der Standortfaktor hinzu, der eine wichtige Rolle für die Umsetzung der Idee einer Bildungslandschaft spielt1.

Das Konzept DKBM

Im Rahmen der o.g. Programme des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) wurde ein neuer Ansatz zur Gestaltung kommunaler Bildungslandschaften konzipiert und verbreitet: das datenbasierte kommunale Bildungsmanagement (DKBM). Im Mittelpunkt der Förderung stehen die Funktionen Bildungsmanagement und Bildungsmonitoring mit dem Ziel, Managementstrukturen für ein ganzheitliches Bildungswesen aufzubauen (vgl. BMBF 2015). Grundlegend ist dabei das erweiterte Bildungsverständnis, welches Bildung als ganzheitliches lebenslanges Lernen begreift und nicht nur formale Bildungsprozesse, sondern auch non-formale und informelle Lernprozesse einbezieht.
Die Integration von Managementstrukturen und -ansätzen in den Kommunalverwaltungen schließt damit an das bereits seit den 1990er Jahren Einzug gehaltene Neue Steuerungsmodell (NSM) an (vgl. Klausing/Aram 2023). Kern der verwaltungspolitischen Reform sind die klare Verantwortungsabgrenzung zwischen Politik und Verwaltung in Form eines Kontaktmanagements, die dezentrale Ressourcen- und persönliche Ergebnisverantwortung verbunden mit einem zentralen Steuerungs- und Controllingbereich, die Outputsteuerung in Form von Produktdefinition, Kosten- und Leistungsrechnung, Budgetierung und Qualitätsmanagement zur Schaffung direkter Abnehmerorientierung, die Aktivierung von Wettbewerbselementen sowie die verstärkte Einbeziehung der Bürgerschaft durch Umfragen, Stärkung der Kundenrechte, Elemente repräsentativer oder direkter Demokratie (vgl. Bogumil 2011).
Auch das DKBM orientiert sich in den Grundzügen an den Prinzipien des NSM. Die kommunale Bildungsarbeit befindet sich in diesem Verständnis in einem Spektrum von regelhafter Verwaltung und proaktiver Gestaltung von Bildungsaufgaben – gemäß dem Motto „Gestalten statt Verwalten“ (vgl. Euler 2021). Auf die Bildungsarbeit wirken dabei bestehende und noch unvorhersehbare Mega-Trends ein, wie z.B. die Digitalisierung und die Migration, aber auch der demografische Wandel.

Gekennzeichnet ist das DKBM als Ansatz zur Gestaltung kommunaler Bildungslandschaften durch insgesamt sieben sogenannte Kernkomponenten: Strategische Ziele, Datenbasierung, Interne Kooperation und Externe Kooperation, Koordination, Qualitätsmanagement und Öffentlicher Diskurs2. Bei der Implementierung eines DKBM in der Kommunalverwaltung lassen sich anhand dieser sieben Kernkomponenten der Entwicklungsstand erheben und Fortschritte abzeichnen. Als Reflexionsinstrument dient dazu eine Matrix, die von Prof. Euler und Prof. Sloane im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitforschung der Transferinitiative entwickelt wurde.

Ein neues Berufsfeld: das kommunale Bildungsmanagement

Durch die Verbreitung des DKBM im Zuge der Förderprogramme ist in den Kommunalverwaltungen in ganz Deutschland ein neues Aufgaben- und auch Berufsfeld entstanden. Die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen bei der Implementierung des DKBM und die kommunalspezifisch ausgewählten Schwerpunkte der Tätigkeit im kommunalen Bildungsmanagement machen es jedoch schwer, das neue Berufsfeld zu definieren. Dennoch wird versucht, ein übergreifendes Aufgabenprofil für im Bildungsbereich tätige koordinierende und steuernde Fachkräfte in der Kommunalverwaltung nachzuzeichnen.

Über die Handlungs- bzw. Aufgabendimension nähern sich Julia Klausing und Elisabeth Aram an die Beschreibung dieses neuen Berufsfeldes an. Auf Grundlage einer Dokumentenanalyse differenzieren sie schließlich sechs Handlungsfelder in einem kommunalen Bildungsmanagement und beschreiben die jeweiligen Aufgabenbereiche (Klausing/Aram 2023):

Aufgabenbereiche:  
-    Bestands- und Bedarfsanalyse konzipieren und durchführen
-    Datenbestand aufbauen und pflegen
-    Datenanalyse betreiben
-    Bildungsberichterstattung umsetzen  

Ankerbeispiele aus der Dokumentenanalyse:
-    Aufbau und Weiterentwicklung des Bildungsmonitorings und der
     Bildungsberichterstattung
-    Definition von Indikatoren und Kennzahlen
-    Datensammlung, -erhebung, -bündelung, -sondierung und -verarbeitung
-    Pflege des eingesetzten Datenbanksystems
-    eigene Datenerhebungen und -analysen durchführen

Aufgabenbereiche:  
-    Kooperative Strategieentwicklung erarbeiten
-    Datenbasierte Handlungsbereiche identifizieren
-    Bildungsmaßnahmen ableiten
-    Bildungsstrategie überprüfen und fortschreiben  

Ankerbeispiele aus der Dokumentenanalyse:
-    Aufzeigen von Sachständen und Entwicklungen im Bildungsgeschehen
-    Identifikation von Handlungsfeldern
-    Wissenschaftliche Beratung (z.B. Identifikation und Priorisierung von Handlungsfeldern unterstützen, fachliche Stellungnahmen schreiben)

Aufgabenbereiche: 

  •  Kommunikationskonzept entwickeln
  •  Ergebnisse des Bildungsmonitorings verbreiten
  •  Verschiedene Formate für den Bildungsdiskurs durchführen  

Ankerbeispiele aus der Dokumentenanalyse:

  •  Veranstaltungsmanagement
  •  Bildungsprodukte für den Ergebnistransfer erstellen
  •  Presse- und Öffentlichkeitsarbeit betreiben
  •  Transferarbeit betreiben (z.B. Multiplikatoren zu Bildungsthemen beraten)

 

Aufgabenbereiche:  
-    Netzwerkanalyse durchführen
-    Netzwerkstrategie entwickeln
-    Netzwerke aufbauen (strategisch /operativ)
-    Netzwerkpflege betreiben  

Ankerbeispiele aus der Dokumentenanalyse:
-    Steakholder-Analyse durchführen, Netzwerkanalyse
-    Gremiensitzungen initiieren, organisieren oder an ihnen teilnehmen
-    Übernahme von federführenden Aufgaben in Gremien

Aufgabenbereiche: 
-    Konzepte zur Qualitätssicherung entwickeln
-    Prozesse und Produkte evaluieren  

Ankerbeispiele aus der Dokumentenanalyse:
-    Analysen zur eigenen Arbeit durchführen
-    Prozess-Evaluation im Team durchführen
-    Einhaltung der internen und externen Vorgaben prüfen
-    Einhaltung der wissenschaftlichen Standards prüfen
-    Eigene Projekte evaluieren und Veränderungsbedarf umsetzen

Aufgabenbereiche:  
-    Teamentwicklung betreiben
-    Mittel verwalten
-    Büroorganisation betreiben    

Ankerbeispiele aus der Dokumentenanalyse:
-    Teamsitzungen moderieren, Fortbildungsbedarf anmelden, Mitarbeiter:innen einarbeiten
-    Projektanträge schreiben, Fördermittel durchleiten, Verwendungsnachweise erstellen
-    Ausstattungsanforderungen schreiben, allgemeine Verwaltungsaufgaben erledigen
-    Aufbau und Organisation des Bildungsbüros

Sechs Eckpunkte als Ziele und strukturelle Voraussetzungen für den Auf- und Ausbau des DKBM

In Niedersachsen haben die Mitglieder des DKBM-Netzwerkes – alle im Bildungsbereich tätige koordinierende und steuernde Fachkräfte – sechs Eckpunkte formuliert, die gleichermaßen Ziele und strukturelle Voraussetzungen für den Auf- und Ausbau des DKBM darstellen:

  1. Eine datenbasierte kommunale Bildungsstrategie entwickeln
  2. Bildung als zentrale Aufgabe verstehen
  3. Alle Akteure verbindlich und zielgerichtet vernetzen
  4. Bildungsziele in den Kommunen politisch beschließen
  5. Transparenz erzeugen
  6. Qualität sichern und weiterentwickeln

In der Publikation „Blickpunkt Bildung mit Struktur“ finden Sie Praxisbeispiele, wie diese Eckpunkte vor Ort in der Kommune umgesetzt werden können.

Die eigene Rolle finden

Trotz langjähriger Entwicklung von Bildungsbüros oder vergleichbaren Einheiten der kommunalen Bildungssteuerung stehen die Akteure im kommunalen Bildungsmanagement und Bildungsmonitoring immer wieder vor der Herausforderung, ihre eigene Rolle nach Innen und Außen darzustellen und zu vertreten. Das liegt nicht zuletzt daran, dass das kommunale Bildungsmanagement einerseits als freiwillige Aufgabe immer wieder (politisch) zu legitimieren ist und entsprechende Mittel in den Haushalt aufgenommen werden müssen, andererseits kann die Form des proaktiven, gestalterischen Handelns von anderen Fachdiensten bzw. Ämtern als geradezu „exotisch“ wahrgenommen werden, da sie anders agiert als die Regelverwaltung. Wie lässt sich also gegenüber der kommunalen Verwaltung und auch gegenüber den externen Kooperationspartnern die eigene Rolle und Funktion definieren und somit das Bildungsbüro langfristig positionieren?
Zum Teil lassen sich anhand der o.g. Handlungsfelder und Aufgabenbereiche eines kommunalen Bildungsmanagements erste Schlagworte für die Funktionszuschreibung eines Bildungsbüros ableiten. Aber in der Praxis gilt es, über die Nennung der allgemeinen Aufgaben hinaus darzustellen, wie und woran genau vor Ort in der Kommune gearbeitet wird. Als Strukturierungshilfe für die Darstellung der eigenen Rolle und Aufgaben können z.B. Strategiehäuser oder ähnliches herangezogen werden. Auf dem Weg hin zur eigenen Rolle und Positionierung gibt es insgesamt vier wichtige Schritte:  

  • Definieren & Systematisieren
  • Darstellen & Sichtbarkeit herstellen
  • Abgrenzen & Aushandeln
  • Reflektieren & Evaluieren

Nutzen Sie die Angebote der Transferagentur:

Viele interessante und hilfreiche Publikationen rund um das Thema DKBM finden Sie in unserem THEMENfinder.
Sie suchen Austausch mit anderen im Bildungsbereich tätigen koordinierenden und steuernden Fachkräften? Dann werden Sie Teil unseres DKBM-Netzwerkes Niedersachsen!
Mit Fachveranstaltungen liefern wir außerdem ein hochwertiges Informations- und Qualifizierungsangebot.
Eine individuelle Beratung und Begleitung bieten wir darüber hinaus für Kommunen mit einer Zielvereinbarung an.

Autorin: Maria Leuschner, Transfermanagement, Transferagentur Niedersachsen

1 Stolz, Heinz-Jürgen (2012): Bildung neu denken! Kritische Anmerkungen zu aktuellen Ansätzen lokaler Bildungslandschaften und mögliche Alternativen. In: Bleckmann, Peter/Schmidt, Volker (Hrsg.): Bildungslandschaften. Mehr Chancen für alle. Wiesbaden: VS Verlag.
2 Euler, Dieter/Sloane, Peter F. E. (2018): Innovationsförderung durch Transferagenturen. Erfahrungen im Aufbau von Transferagenturen zur Förderung eines datenbasierten kommunalen Bildungsmanagements. Detmold: Eusl-Verlag.